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Newsletter Besteuerung der öffentlichen Hand 03/2018

Von Professor Thomas Maier, Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

Rechtsanwalt/Steuerberater

Nr. 03/2018 (Mai 2018)

Aktuelle Urteile

Anordnung der Teilnahme eines Gemeindebediensteten an einer Außenprüfung durch die Finanzbehörde

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.1.2018 – 1 K 2190, EFG 2018 S. 609 (Revision anhängig; Az. des BFH: III R 9/18)

Sachverhalt:

Das Finanzamt ordnete gegenüber der Firma A die Durchführung einer steuerlichen Außenprüfung u.a. für Gewerbesteuer an und teilte mit, dass die Stadt X von ihrem Recht auf Teilnahme an der Außenprüfung durch einen Gemeindebediensteten Gebrauch mache.

Die Firma A wandte sich mit ihren Rechtsbehelfen (Einspruch, Klage) gegen die Teilnahme des Gemeindebediensteten der Stadt X an der Außenprüfung. Sie ist der Auffassung, die Anordnung sei bereits formell rechtswidrig, da es an einer gesetzlichen Ermächtigung zur Anordnung der Teilnahme des Gemeindebediensteten fehle; hilfsweise sei nicht das Finanzamt zum Erlass der Teilnahmeanordnung zuständig, sondern die Gemeinde selbst. Darüber hinaus sei die Anordnung materiell rechtswidrig, weil die Gefahr einer Verletzung des Steuergeheimnisses bestehe.

Leitsätze:

1. § 21 Abs. 3 FVG ist eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Teilnahme eines Gemeindebediensteten an einer beim Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde durchgeführten Außenprüfung.

2. Die Finanzbehörde ist aufgrund der analogen Anwendung der §§ 196, 197 AO für den Erlass der Teilnahmeanordnung sachlich zuständig.

Nach Auffassung des 1. Senats des Finanzgerichts Düsseldorf sei die Anordnung der Teilnahme eines Gemeindebediensteten durch das Finanzamt formell und materiell rechtmäßig. Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit führt der Senat zunächst aus, dass nach seiner Auffassung – entgegen der Auffassung des 11. Senats des Finanzgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 17.1.2017, EFG 2017 S. 543) – § 21 Abs. 3 FVG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zur Teilnahme eines Gemeindebediensteten an der Außenprüfung sei.

Darüber hinaus sei das Finanzamt für die Anordnung auch sachlich zuständig gewesen. Dies ergebe sich aus der analogen Anwendung der §§ 196, 197 AO. Nach § 196 AO bestimme die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung in einer schriftlich zu erteilenden Prüfungsanordnung mit Rechtsbehelfsbelehrung. Die Prüfungsanordnung sowie der voraussichtliche Prüfungsbeginn und die Namen der Prüfer seien dem Steuerpflichtigen, bei dem die Außenprüfung durchgeführt werden soll, angemessene Zeit vor Beginn der Prüfung bekannt zu geben, wenn der Prüfungszweck dadurch nicht gefährdet werde (§ 197 Abs. 1 Satz 1 AO). Schon das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Grundsatzurteil vom 27.1.1995 (8 C 30/92) ausgeführt, dass die Finanzbehörde im Rahmen der Prüfungsanordnung auch den ihr gegenüber geltend gemachten Teilnahmewunsch der Gemeinde gegenüber dem Steuerpflichtigen anordne; die Finanzbehörde habe insoweit die „Verwaltungskompetenz“. Diesen Ausführungen schließe sich der erkennende Senat an.

Die Anordnung der Teilnahme des Gemeindebediensteten sei auch materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 iVm Abs. 2 FVG seien erfüllt. Auch der Schutz des Steuergeheimnisses stehe einer Teilnahme des Gemeindebediensteten nicht entgegen. Das gelte jedenfalls in den Fällen, in denen sich – wie im Streitfall – Gemeinde und Steuerpflichtiger nur im staatlichen Über- Unterordnungsverhältnis von Steuergläubiger und Steuerpflichtigen gegenüberstehen. Etwas anderes gelte nach dem (im summarischen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung) erlassenen Beschluss des BFH vom 4.5.2017 (BFH/NV 2017 S. 1009) möglicherweise dann, wenn sich die Gemeinde durch privatrechtliches Handeln auf die Ebene des Steuerpflichtigen begeben habe. In diesen Fällen halte der BFH im Einzelfall eine Einschränkung des Teilnahmerechts wegen einer möglichen Interessenskollision für geboten. Denn stehen sich Gemeinde und Steuerpflichtiger gleichrangig gegenüber, könne sich die Gemeinde durch die Durchsetzung hoheitlicher Teilnahmerechte einen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil verschaffen, indem ihr dadurch z.B. Kalkulationsgrundlagen des Steuerpflichtigen bekannt werden, durch die sie sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnte. Im Streitfall sei jedoch diese Konstellation unstreitig nicht gegeben. Gemeinde und Firma A stehen sich allein im „normalen“ steuerrechtlichen Über-Unterordnungsverhältnis gegenüber. Das Gesetz habe für diesen Fall die Abwägung des Interesses des Steuerpflichtigen an der Wahrung des Steuergeheimnisses durch Beschränkung des Teilnehmerkreises an der Außenprüfung und damit der Vertraulichkeit seiner Daten und dem Interesse der Gemeinde an der Sicherung ihres Gewerbesteueraufkommens abschließend zugunsten der Gemeinde entschieden.

Anmerkung:

Immer mehr Kommunen – insbesondere Großstädte – nutzen die ihnen durch § 21 Abs. 3 FVG gewährte Möglichkeit der Teilnahme von Gemeindebediensteten an Außenprüfungen des Finanzamts bei Firmen, deren Gewerbesteuergläubigerinnen sie sind. Durch die Teilnahme von Gemeindebediensteten an Außenprüfungen können die Kommunen das Gewerbesteueraufkommen durch Vertreten der eigenen Rechts- und Tatsachenauffassung deutlich erhöhen (siehe Aufsatz von Westermann/Beuschel, Teilnahmeberechtigung von Bediensteten an Außenprüfungen der Landesfinanzbehörden auf Grundlage von § 21 Abs. 3 FVG, Zeitschrift für Kommunalfinanzen 2014 S. 217).

Das Teilnahmerecht der Kommunen nach § 21 Abs. 3 FVG birgt keine Probleme für den Regelfall, bei dem sich das Rechtsverhältnis zwischen Kommune und Steuerpflichtigem (Gewerbebetrieb) nur auf Rechtsbeziehungen zwischen Steuergläubiger (Kommune) und Steuerschuldner (Gewerbebetrieb) beschränkt.

Es gibt jedoch Fälle, bei denen die an der Außenprüfung teilnehmende Kommune nicht nur Gewerbesteuergläubigerin ist, sondern – wie im oben dargestellten BFH-Fall – die Kommune bzw. ihre Tochtergesellschaften mit ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten Konkurrent des Steuerpflichtigen ist, Kommune und Steuerpflichtiger (Gewerbebetrieb) sich somit als Wettbewerber gegenüberstehen. Für diesen Fall hat der BFH in seinem Beschluss vom 4.5.2017 – zumindest für die im Rahmen des AdV-Verfahrens geltende summarische Betrachtungsweise – zu Recht entschieden, das Beteiligungsrecht der Kommunen so einzugrenzen, dass keine Kenntnisse des Finanzamts offenbart werden, die für eine wirtschaftliche Tätigkeit der Kommune von Bedeutung sein können. In welcher Weise diese Eingrenzung zu erfolgen hat, bleibe dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. In dem oben dargestellten Fall des Finanzgerichts Düsseldorf bestand jedoch kein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Firma A und der Stadt X. Dem Urteil ist deshalb zuzustimmen.



Aktuelles aus der Verwaltung

Umsatzsteuerliche Behandlung der Ausleihe von Lernmitteln durch Schulen

Landesamt für Steuern Niedersachsen, Verfügung vom 14.3.2018, Deutsches Steuerrecht 2018 S. 921

Das LfSt Niedersachsen teilt in der o.g. Verfügung Folgendes mit: Die öffentlichen Schulen bieten den Eltern und den volljährigen Schülerinnen und Schüler an, Lernmittel gegen Zahlung eines Entgelts auszuleihen. Mit dieser Möglichkeit unterstützen die Schulen die Erziehungsberechtigten bei ihrer Verpflichtung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 Niedersächsisches Schulgesetz, die Schüler für die Teilnahme am Unterricht zweckentsprechend auszustatten, insbesondere die Lernmittel zu beschaffen.

Mit der Zurverfügungstellung von Büchern aus einer planmäßigen Sammlung von Büchern erfüllen die öffentlichen Schulen (nämlich mit dem Lernmittelbestand der jeweiligen Schule) den Begriff der öffentlichen Bücherei nach § 4 Nr. 20 a UStG. Die Umsätze aus der entgeltlichen Ausleihe sind (sofern steuerbar) von der Umsatzsteuer befreit. Soweit ausgemusterte Lernmittel aus dem Bestand der Schulbücherei veräußert werden, sind diese Umsätze (soweit steuerbar) nach § 4 Nr. 28 UStG steuerfrei.

Anmerkung:

Werden die Lernmittel nicht im Rahmen eines zivilrechtlichen Vertrages, sondern im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung (z.B. öffentlich-rechtliche Gebührensatzung) leihweise überlassen, führt die in der o.g. Verfügung vertretene Auffassung des LfSt Niedersachsen bei Anwendung des spätestens ab dem 1.1.2021 geltenden § 2 b UStG mangels Vorliegens einer größeren Wettbewerbsverzerrung nicht zur Unternehmereigenschaft des Schulträgers (Gemeinde) bei der Ausleihe von Lernmitteln (§ 2 b Abs. 2 Nr. 2 UStG).