-- WEBONDISK OK --

Nachbarschutz im faktischen Dorfgebiet – Bundesverwaltungsgericht entscheidet gegen Investor

Leipzig. Zu seiner umfangreichen Rechtsprechung über den Nachbarschutz im faktischen Dorfgebiet hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eine weitere Entscheidung hinzugefügt. Es geht um Fälle zu Bauvorhaben in unbeplanten, innergemeindlichen Gebieten. Entspricht das Vorhaben nicht dem Gebietscharakter des Gebiets, können Nachbarn es verhindern. Ihnen steht unter Umständen ein „Gebietserhaltungsanspruch“ zu. Die Bestimmung des Gebietscharakters des jeweiligen Gebiets ist aber oft keine leichte Aufgabe. In der neuesten Entscheidung zu dieser Rechtsfrage präzisiert das BVerwG, dass bauliche Anlagen, die selbst Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Beurteilung sind, bei der Bewertung nicht berücksichtigen werden dürfen.

Im entschiedenen Fall geht es um die Erweiterung eines Fuhrunternehmens. Ihm erteilte die Behörde erstmals 1996 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Garage für zwei Lkw. Den Betrieb baute der Unternehmer in den Folgejahren aus. Nach rund 10 Jahren verfügte er über zehn Lkw. Sie werden auf dem Gelände auch gewartet und betankt. Als er schließlich eine Baugenehmigung für den Umbau des Firmengeländes beantragte und auch erhielt, kam es zum Gerichtsstreit.

Der Nachbar, dessen Einfamilienhaus an den Fuhrbetrieb grenzt, hatte geklagt. Die nähere Umgebung des Fuhrbetriebs mit Gebäuden für die Land- und Forstwirtschaft sei ein faktisches Dorfgebiet. Die Erweiterung widerspreche dem Gebietscharakter und sei deshalb unzulässig.

Die Vorinstanz hatte demgegenüber darauf abgestellt, dass auf dem Vorhabengrundstück mit dem größeren Fuhrunternehmen bereits ein „wesentlich störender Gewerbebetrieb“ betrieben würde. Die Umgebung sei daher eine Gemengelage und kein faktisches Dorfgebiet.

Dem widersprach das BVerwG. Das Vorhabengrundstück dürfe bei der Bewertung nur insoweit berücksichtigt werden, als es nicht selbst Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Beurteilung sei. Ein Bauvorhaben könne nicht gleichzeitig Prüfungsgegenstand und Prüfungsmaßstab sein.

Weil der Unternehmer die Erweiterung des Fuhrbetriebs zur Genehmigung gestellt hatte, hätte diese Erweiterung demzufolge bei der Bewertung des Gebiets weggedacht werden müssen.

Für die Bewertung des Gebiets war damit die 1996 erteilte Baugenehmigung maßgeblich, nach der der Fuhrbetrieb damals (noch) ein nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb war (und damit im Dorfgebiet allgemein zulässig). Schmerzliche Folge für den Fuhrbetrieb-Investor: Die Umgebung war als faktisches Dorfgebiet zu bewerten und sein jetziger Fuhrbetrieb unzulässig (Az. 4 C 10/18).

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag