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OLG Stuttgart entscheidet über Arbeitstempo eines Richters

Die ehemalige Präsidentin des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe hatte einen Ihrer Richter, Thomas Schulte-Kellinghaus, ermahnt, schneller zu arbeiten. Der wehrte sich dagegen vor Gericht. Vor zwei Jahren entschied dazu der Bundesgerichtshof (BGH), zuerst müsse geprüft werden, ob die tatsächlichen Erledigungszahlen des Richters ordentlich ermittelt wurden. Jetzt entschied laut Deutscher Presse-Agentur das bereits damit befasst OLG Stuttgart erneut, dass die Ermahnung zulässig war.

Unbearbeitete Akten trotz Eilbedürftigkeit

Im Jahr 2011 hatte die damalige Präsidentin des OLG, Dr. Christine Hügel, eine „Sonderprüfung“ veranlasst. Trotz „erkennbarer oder mitgeteilter Eilbedürftigkeit“ habe der Richter Verfahren „zum Teil über Jahre (…) unzureichend bearbeitet“, heißt es in einem damaligen Vermerk der Präsidentin.

Ergebnis der Sonderprüfung: Der Richter unterschreite die durchschnittlichen Erledigungszahlen der Kollegen um 68 Prozent.

Bei „ordnungswidriger Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts“ erlaubt das Richtergesetz, dies dem betroffenen Richter „vorzuhalten“ und ihn „zu ermahnen“. Davon machte die Präsidentin Gebrauch, was Schulte-Kellinghaus aber nicht auf sich sitzen ließ. Nicht nur der Vorhalt, auch die Sonderprüfung und ein vorausgegangener Vermerk, der „ausschließlich der Einschüchterung“ gedient habe, so Schulte-Kellinghaus, verstießen gegen die grundgesetzlich geschützte richterliche Unabhängigkeit.

Richter als Seiltänzer

Rückenwind erhielt der Richter u.a. von der Neuen Richtervereinigung, die den Streit als „Pilotprozess“ versteht und betont, dass der Arbeitseinsatz von Schulte-Kellinghaus außer Streit stehe.

Aufsehen machte auch ein Interview im Deutschlandfunk Anfang letzten Jahres, in dem Carsten Schütz, Direktor des Sozialgerichts Fulda, Richter mit „Seiltänzern“ verglich. Bei der Entscheidung, wie viel Zeit Richter einem Fall zubilligten, sei „die Absturzgefahr groß, ähnlich einem Seiltänzer“.

Schulte-Kellinghaus selbst betont, er arbeite bereits mehr als 40 Stunden wöchentlich. Die Zahl der Erledigung seiner Akten könne er also nur erzielen, wenn er seine Arbeitsweise ändere. Effizienzvorstellungen des Gerichtspräsidenten oder des Landesjustizministeriums dürften dabei keinesfalls Richtschnur seiner Arbeit sein.

Effizienz contra Berufethos

Der BGH hatte in dem Streit geurteilt, dass die richterliche Unabhängigkeit dann beeinträchtigt sein kann, wenn dem Richter ein Pensum abverlangt wird, das auch andere Richter nicht mehr sachgerecht erledigen können. Dies habe das OLG nicht ausreichend festgestellt, so der BGH in seinem Urteil.

Dem kam das OLG jetzt nach und billigte erneut die Maßnahmen der Präsidentin.

Auch wenn mit dieser Entscheidung zu rechnen war, die Diskussion über Erledigungsdruck, Berufsethos und die richterliche Unabhängigkeit in der Arbeit von Richtern ist damit sicherlich noch nicht zu Ende.

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag