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VGH: Beurteilungen, die mit deutlichem zeitlichem Abstand zum Ende des Beurteilungszeitraums neu ausgestellt werden, müssen rückdatiert werden

Mannheim. An sich sind im Rechtsverkehr schriftliche Erklärungen immer unter demjenigen Datum auszustellen, an dem sie tatsächlich abgegeben werden. Dies gilt auch für dienstliche Beurteilungen. Dass es hier Ausnahmen geben kann, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichthofs (VGH) Baden-Württemberg zu einer Beurteilung, die nach länger dauerndem Gerichtsstreit neu ausgestellt wurde. Die Richter statuierten in dem Fall eine Pflicht des Dienstherrn, die dienstliche Beurteilung zum Schutz des Beurteilten rückzudatieren.

In dem entschiedenen Fall hatte sich eine Gymnasial-Lehrerin vor dem Verwaltungsgericht Freiburg gegen eine Beurteilung des Schulleiters gewehrt und Recht bekommen: Das Verwaltungsgericht hatte die Beurteilung aufgehoben und entschieden, dass die Frau „unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts“ erneut dienstlich zu beurteilen sei.

Als schließlich nach weiteren Auseinandersetzungen eine Beurteilung vorgelegt wurde, wollte die Lehrerin diese nicht gelten lassen: die Beurteilung war mit dem „alten“ Datum 11. Juli 2013 (Bekanntgabe 12. Juli 2013) versehen und trug die Unterschrift des seinerzeitigen beurteilenden Schulleiters. Sie war lediglich an einzelnen Stellen inhaltlich modifiziert worden.

Der Hinweis auf das alte Datum genügte dem angerufenen Vollstreckungsgericht, ein Zwangsgeld (2.500 €) gegen das Land festzusetzen. Zur Fertigung einer neuen Beurteilung gehöre es denknotwendig, dass diese auch das Datum erkennen lasse, an welchem sie erstellt worden sei, so die Begründung des Gerichts.

In ihrem aktuellen Beschluss lehnten dies die VGH-Richter aber ab und drehten die Argumentation des Vorgerichts um:

Es komme auf den sachlichen Gehalt der neuen Beurteilung und nicht auf deren (Rück-)Datierung an. Dies gelt umso mehr, als - jedenfalls im vorliegenden Fall - die Zurückdatierung „unter Fürsorgegesichtspunkten sogar geboten gewesen sein dürfte“, so der VGH.

Liege die Unterschrift unter einer Anlassbeurteilung fünfeinhalb Jahre nach dem Ende des Beurteilungszeitraums - wie im vorliegenden Fall - ließe dies nämlich ohne weiteres den Schluss zu, dass die Beurteilung erst nach längeren (gerichtlichen) Auseinandersetzungen mit dem Dienstherrn ausgestellt wurde. Dies, so die Richter, könne in Bewerbungssituationen die Chancen eines Bewerbers maßgeblich verringern.

Denn „bei lebensnaher Betrachtung“ könnte schon die Bereitschaft zur Führung eines Rechtsstreits bei den für die jeweilige Bewerbung zuständigen Stellen negativ gewertet werden und außerdem „Misstrauen hinsichtlich der Aussagekraft der Beurteilung wecken“.

Zum Schutz vor Nachteilen sind Beurteilungen in solchen Fällen daher, jedenfalls wenn der Grund für die verspätete Ausstellung der Beurteilung nicht in der Sphäre des Beurteilten liegt, zurückzudatieren (Az. 4 S 672/19).

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag