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Mögliches Chancen-Aufenthaltsrecht verhindert Abschiebung

Im Hinblick auf das derzeit noch im Gesetzgebungsverfahren befindliche einjährige „Chancen-Aufenthaltsrecht“, das langjährig geduldeten Ausländern ein Bleiberecht in Deutschland ermöglichen soll, hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 18.11.2022 (19 K 3710/22) die Abschiebung eines Gambiers gestoppt.

Ein seit über fünf Jahren in Deutschland lebender Gambier wurde in den Jahren 2016 und 2017 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu Geldstrafen verurteilt. Sein Asylantrag wurde im Jahr 2017 abgelehnt und die hiergegen gerichtete Klage im Jahr 2019 abgewiesen. Aus diesen Gründen hatte das Landratsamt Karlsruhe 2019 die Ausweisung des Klägers sowie ein auf drei Jahre befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot verfügt. Am 25.10.2022 scheiterte ein Versuch des Regierungspräsidium Karlsruhe, den Antragsteller nach Gambia abzuschieben. Zu diesem Zeitpunkt waren seine Eintragungen im Bundeszentralregister bereits wieder getilgt. Seit dem 26.10.2022 befindet er sich in Abschiebehaft.

Im Oktober 2022 hatte das Justizministerium BW zwar keinen schriftlichen „Vorgriffserlass“ erteilt, aber das Regierungspräsidium mündlich angewiesen, Menschen, die nach den beabsichtigten neuen bundesgesetzlichen Regelungen voraussichtlich eine Bleibeperspektive haben, ab sofort nicht mehr abzuschieben.

Gegen eine weitere geplante kurzfristige Abschiebung nahm der Gambier gerichtliche Hilfe in Anspruch. Er war der Ansicht, aufgrund seiner langen Aufenthaltsdauer in Deutschland mit Gestattung bzw. Duldung falle er unter das geplante „Chancen-Aufenthaltsrecht“. Die Landesregierung habe am 11.10.2022 auch mitgeteilt, dass Menschen mit Bleibeperspektive nicht mehr abgeschoben werden dürften.

Das Verwaltungsgericht ist mit seinem Beschluss der Argumentation des Regierungspräsidiums nicht gefolgt. Nach Ansicht der Kammer sei durch die Anweisung des Ministeriums das Ermessen des RP bei der Durchführung von Abschiebungen dahingehend gelenkt worden, dass die absehbar Begünstigten des „Chancen-Aufenthaltsrechts“ derzeit nicht abgeschoben werden sollen. Dies komme aufgrund des Grundrechts der Gleichbehandlung auch dem Antragsteller zugute. Er habe durch seinen mehr als fünf Jahre geduldeten Aufenthalt die Voraussetzungen des kommenden Gesetzes erfüllt. Ebenfalls stünden seine früheren Verurteilungen aufgrund der Tilgung nicht entgegen, ebenso wenig das damals verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot. Dies dürfte sich nach Tilgung der Straftaten nicht mehr negativ auf den Antragsteller auswirken. Das frühere Ausweisungsinteresse sei dadurch weggefallen.

Tatjana Wellenreuther, Richard Boorberg Verlag