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Newsletter Besteuerung der öffentlichen Hand 09/2021

Von Professor Thomas Maier, Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

Rechtsanwalt/Steuerberater

Nr. 09/2021

Aktuelle Urteile

Anzahl der Verpachtungs-BgA bei Verpachtung mehrerer gleichartiger Objekte
Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.4.2021 - I R 2/19 (www.bundesfinanzhof.de)

Sachverhalt:
Die X ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die auf landesgesetzlicher Ebene mit der Aufgabe betraut ist, den Staatswald zu bewirtschaften. Das der X danach eingeräumte unentgeltliche Nutzungsrecht umfasst auch die Vermietung oder Verpachtung des zu bewirtschaftenden Staatswalds. In diesem erweiterten Aufgabenbereich verpachtete die X in den Streitjahren (2006 bis 2009) insgesamt … Grundstücke für Freizeit- und Erholungszwecke, die überwiegend als Campingplätze genutzt wurden.

Das Finanzamt beurteilte nach einer Außenprüfung die Verpachtungen in neun dieser Fälle als Verpachtung von gewerblichen Betrieben, die gemäß § 4 Abs. 4 KStG als Betrieb gewerblicher Art (BgA) gelte. Dabei ging das FA von einem (einzigen) „BgA Verpachtung Campingplätze" aus und ermittelte aus den Pachteinkünften für die Jahre 2006 bis 2009 jeweils ein Gesamteinkommen dieses BgA von ... €. Von diesen Gesamteinkommen zog das Finanzamt jeweils einmalig die Freibeträge nach § 24 Satz 1 KStG ab und setzte auf die Differenzbeträge (als zu versteuerndes Einkommen) Körperschaftsteuer fest.

Die X war demgegenüber zunächst der Auffassung, die Voraussetzungen für Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG lägen nur bei zwei der verpachteten Objekte vor (Campingplatz A und Campingplatz C). Mangels organisatorischer Zusammenfassung handele es sich bei den Verpachtungen außerdem um jeweils eigenständige, nicht zusammengefasste BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG, für die getrennte Körperschaftsteuerbescheide unter jeweils eigenständiger Einkommensermittlung zu erlassen wären. Während des Klageverfahrens änderte die X ihr Klagebegehren dahingehend, dass die Voraussetzungen für einen Verpachtungs-BgA i.S.d § 4 Abs. 4 KStG nur im Hinblick auf das verpachtete Objekt „Campingplatz A“ vorlägen.

Das vorinstanzliche Finanzgericht Nürnberg (Urteil vom 24.7.2018 - 1 K 241/17) war der Auffassung, dass – entsprechend dem Klagebegehren – Körperschaftsteuer nur in Bezug auf die Verpachtung des Objekts „Campingplatz A“ festgesetzt werden könne.

(Nichtamtliche) Leitsätze:
1. Die Verpachtung mehrerer gleichartiger gewerblicher Objekte (hier: Campingplätze) durch die Trägerkörperschaft kann nur dann zur Annahme eines einzigen Verpachtungs-BgA führen, wenn die Objekte eine „Einrichtung“ i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 1 KStG bilden. Eine „Einrichtung“ ist dabei jede funktionelle Einheit, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dient.

2. Die funktionelle Einheit, die sich z.B aus einer einheitlichen Leitung, einer einheitlichen Rechnungslegung oder aus einer sonstigen zusammenfassenden Organisationsmaßnahme ergeben kann, muss sich bei der Verpachtung mehrerer Objekte auf die gewerbliche Tätigkeit des Pächters beziehen. Eine Bezugnahme auf die (gleichartige) Verpachtungstätigkeit des Verpächters kommt insoweit nicht in Betracht.

Nach Auffassung des BFH sei das Finanzamt im Hinblick auf die Verpachtung der neun Campingplätze zu Unrecht von einem einzigen Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG ausgegangen.

Als BgA gelte gemäß § 4 Abs. 4 KStG (auch) die Verpachtung eines solchen Betriebs. Die an sich dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnende Verpachtungstätigkeit werde dadurch als gewerbliche Betätigung fingiert. Die Annahme eines Verpachtungs-BgA erfordere, dass der Gegenstand des Pachtvertrags in der Hand der verpachtenden Körperschaft ein BgA wäre.

Das vom vorinstanzlichen Finanzgericht Nürnberg gefundene Ergebnis, die X habe mit dem Abschluss der Pachtverträge über die Campingplätze – soweit diese die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 KStG erfüllen – einzelne Verpachtungs-BgA und nicht einen einzigen, mehrere Pachtverhältnisse umfassenden BgA „Verpachtung Campingplätze" unterhalten, halte der rechtlichen Prüfung stand.

Zur Bestimmung des Umfangs eines von der Trägerkörperschaft unterhaltenen BgA sei auf das in § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG enthaltene Merkmal der „Einrichtung" abzustellen. Eine Einrichtung sei jede funktionelle Einheit, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen diene. Eine funktionelle Einheit könne sich insbesondere aus einer besonderen Leitung, einem geschlossenen Geschäftskreis, der Buchhaltung oder aus einem ähnlichen, auf eine Einheit hindeutenden Merkmal ergeben.

Zur Bestimmung des Umfangs eines Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG sei in gleicher Weise darauf abzustellen, ob es sich bei den verpachteten Betriebsgrundlagen um eine oder um mehrere „Einrichtungen" i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG handele. Werden mehrere verschiedene funktionelle Einheiten verpachtet, liegen dementsprechend mehrere Verpachtungs-BgA vor.

Entgegen der Sichtweise des Finanzamts komme es für den Umfang des Verpachtungs-BgA nicht maßgeblich darauf an, inwiefern mehrere Pachtverhältnisse bei der Trägerkörperschaft von derselben organisatorischen Untergliederung oder nach einheitlichen Maßgaben und Grundsätzen verwaltet und betreut werden. Der Anlass für den Besteuerungszugriff beim Verpachtungs-BgA liege in der Mitwirkung der juristischen Person des öffentlichen Rechts an der Betriebsgestaltung des Pächters.

Obwohl das Besteuerungsobjekt beim Verpachtungs-BgA der Gewinn aus dem Pachtverhältnis – und nicht der Gewinn des verpachteten Betriebs – sei, gehe es dabei mithin letztlich doch um eine Form der Teilhabe an der gewerblichen Betätigung des Pächters, d.h. am Betrieb selbst. Die Verpachtungstätigkeit als solche sei demgegenüber zur Bestimmung der Anzahl der jeweiligen Verpachtungs-BgA nicht geeignet, weil es sich dabei der Sache nach um eine vermögensverwaltende Tätigkeit handele, die mit den für die Bestimmung der „Einrichtung" i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG maßgeblichen Kriterien nicht zu erfassen sei.

Im Streitfall sei davon auszugehen, dass es sich bei den verpachteten Campingplätzen um jeweils eigenständige funktionelle Einheiten gehandelt habe. Irgendwelche Anhaltspunkte, die auf eine einheitliche Leitung, einheitliche Rechnungslegung oder sonstige zusammenfassende Organisationsmaßnahmen in Bezug auf die einzelnen Campingplatzbetriebe hindeuten könnten, seien danach nicht erkennbar. Allein die Gleichartigkeit der Betriebe führe nicht zu einer funktionellen Einheit, wie sich auch aus § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG ergebe, der der Trägerkörperschaft die Möglichkeit eröffnet, mehrere (einzelne) gleichartige BgA zu einem Gewinnermittlungssubjekt zusammenzufassen.

Anmerkung:
Im Streitfall ging das Finanzamt davon aus, dass es sich bei den neun von der X verpachteten Campingplätzen um eine Einheit handelt, die zu einem einzigen „BgA Verpachtung Campingplätze“ führt. Der BFH folgte jedoch der Auffassung der X sowie dem vorinstanzlichen Finanzgericht Nürnberg, nach der die neun vermieteten Campingplätze steuerlich getrennt behandelt werden müssen. Dabei stellte der BFH bei der Frage, ob ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG gegeben ist, auf das in § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG enthaltene Merkmal „Einrichtung“ ab. Eine derartige Einrichtung sei gegeben, wenn es sich um eine sog. funktionelle Einheit handele. Diese funktionelle Einheit könne sich insbesondere aus einer besonderen Leitung, einem geschlossenen Geschäftskreis, der Buchhaltung oder aus einem ähnlichen, auf eine Einheit hindeutenden Merkmal ergeben (siehe insoweit H 4.1 „Einrichtung“ KStH 2015).

Wichtig ist die Aussage des BFH, dass sich die funktionelle Einheit im Falle der Verpachtung von mehreren Objekten durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts nicht auf die (gleichartige) Verpachtungstätigkeit, sondern auf die Tätigkeit des Pächters beziehen muss. Deshalb spielt es im Streitfall auch keine Rolle, dass die Pachtverträge bei der Verpächterin (X) von derselben Untergliederung oder nach einheitlichen Maßgaben und Grundsätzen verwaltet und betreut werden. Im Streitfall lag keine funktionelle Einheit in Bezug auf den Betrieb der Campingplätze vor. Da die Campingplätze offenbar von verschiedenen Pächtern geführt wurden, bestand insoweit weder eine einheitliche Leitung noch eine einheitliche Rechnungslegung oder eine sonstige zusammenfassende Organisationsmaßnahme. Eine funktionelle Einheit könnte meines Erachtens bei der Verpachtung mehrerer Campingplätze eventuell dann angenommen werden, wenn die Verpachtung dieser Campingplätze an einen einzigen Pächter erfolgt.

Da nach Auffassung des BFH die neun verpachteten Campingplätze steuerlich getrennt zu behandeln sind, muss für jede einzelne Verpachtung geprüft werden, ob insoweit ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG oder lediglich eine nicht der Körperschaftsteuer unterliegende Vermögensverwaltung gegeben ist.

Nach der Rechtsprechung des BFH liegt ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG nur vor, wenn die überlassenen Wirtschaftsgüter die wesentlichen Grundlagen des Betriebs ausmachen, mit denen der Pächter sogleich ohne größere Vorkehrung einen Gewerbebetrieb ausüben kann (vgl. BMF, Schreiben vom 12.11.2009, BStBl I 2009 S. 1303, Rdnr. 15 ff., mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Im Streitfall lagen diese Voraussetzungen offenbar nur bei einem der neun verpachteten Campingplätze vor, so dass nur ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG anzunehmen war. Das würde bedeuten, dass bei den nicht als Verpachtungs-BgA eingestuften verpachteten Campingplätzen deren wesentliche Betriebsgrundlagen wohl nicht vom Verpächter (X), sondern vom Pächter beschafft wurden. Insoweit handelte es sich bei der verpachtenden juristischen Person des öffentlichen Rechts lediglich um eine Tätigkeit im Rahmen der (nicht körperschaftsteuerpflichtigen) Vermögensverwaltung.


Zusammenfassung gleichartiger BgA nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG zu einem einheitlichen BgA einer Kurort-Gemeinde
Finanzgericht München, Gerichtsbescheid vom 20.11.2020 - 6 K 2916/17 (www.gesetze-bayern.de - Revision anhängig; Az. des BFH: I R 49/20)

Sachverhalt:
Die Kurort-Gemeinde K unterhielt einen als Regiebetrieb geführten BgA „Kurbetrieb“. In diesem BgA erfasste die K u.a. die Fremdenverkehrsbeiträge, die Kurbeiträge, Mieteinnahmen aus dem Haus des Gastes, sonstige Mieteinnahmen (Kegelbahn, Minigolfplatz, Bühne des Kursaals) sowie die Aufwendungen für die A-GmbH (touristische Marketingorganisation für die K und weitere Gemeinden). Im BgA „Kurbetrieb“ erfasste die K auch die Einnahmen und Ausgaben eines Glühweinstandes auf dem Weihnachtsmarkt der Stadt X.

Diese Einnahmen und Ausgaben beruhen auf folgendem Sachverhalt:
Die K hatte sich bereits vor vielen Jahren bei der Stadt X um das Recht beworben, den Christbaum für den Weihnachtsmarkt aufstellen zu dürfen. Für den Weihnachtsmarkt erhielt sie von der Stadt X den Zuschlag. Der Christbaum wurde am 12.11.20… am frühen Morgen von der Feuerwehr X aufgestellt. Nach der Aufstellung des Christbaums fand um ca. 10.00 Uhr ein Fotopressetermin statt, der von der Pressestelle X organisiert wurde. Zur Eröffnung des Christkindlmarkts am 25.11.20... kam eine Delegation der K nach X. Mit dem Schluss seines Grußwortes übergab der Bürgermeister der K den Christbaum formell der Stadt X als Geschenk. Als Beitrag zum Eröffnungsprogramm musste die K zudem dafür sorgen, dass die Blaskapelle ihres Ortes für musikalische Unterhaltung sorgt (Standkonzert).

Im Gegenzug sagte die Stadt X zu, dass am Christbaum eine Tafel angebracht wird, aus der hervorgeht, dass die K die Spenderin ist. Ferner stellte die Stadt X der K in der Zeit vom 25.11. bis zum 23.12.20... einen Raum zum Verkauf von Glühwein, Kinderpunsch, Jägertee und Speckbroten zur Verfügung. Dabei war die K verpflichtet, ortsübliche Preise zu verlangen, um den gewerblichen Händlern nicht zu schaden. Ferner hatte die K das Recht vereinbart, einen Prospektständer aus Holz neben dem Ausschankfenster aufzustellen. Dies geschah auch. So legte die K speziell für diese Gelegenheit eigene Image- und Werbebroschüren auf, die im Prospektständer lagen bzw. verteilt wurden. Im Rahmen des Weihnachtsmarktes veranstaltete die K ein Preisausschreiben, bei dem die Teilnehmer Loskarten ausfüllen durften. Täglich wurde ein Gewinner ausgelost, der einen Schließfachschlüssel erhielt, der zu einem Schließfach auf dem Gipfel des mit einer Seilbahn erschlossenen Hausberges der K stand. Als Preise konnten z.B. eine Ballonfahrt in der Region oder ein Aufenthalt in einem Kurhotel gewonnen werden. Der Verkaufsstand erzielte einen Gewinn.

Trotz dieses Gewinns des Verkaufsstandes in X erzielte der BgA „Kurbetrieb“, in dem die K die Einnahmen und Ausgaben des Verkaufsstandes erfasste, insgesamt einen Verlust. Das Finanzamt veranlagte den BgA „Kurbetrieb“ zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung entsprechend der Steuererklärung der K.

Im Rahmen einer später erfolgten Betriebsprüfung kam das Finanzamt zum Ergebnis, dass die Einnahmen aus dem Verkaufsstand in X nicht beim BgA „Kurbetrieb“ zu erfassen seien. Vielmehr handele es sich um einen eigenständigen BgA „Glühweinstand“. Das Finanzamt erhöhte deshalb den Verlust des BgA „Kurbetrieb“ und erließ für diesen BgA einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid und eine entsprechende Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer.

Für den BgA „Glühweinstand“ erließ das Finanzamt aufgrund des erzielten Gewinns einen entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid und einen Bescheid, mit dem das steuerliche Einlagekonto in Höhe von Null festgestellt wurde. Ferner erließ das Finanzamt einen Bescheid über die Festsetzung von Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag.

Die K ist der Auffassung, dass ein eigenständiger BgA „Glühweinstand“ nicht vorliege. Die Tätigkeiten seien vielmehr ein Teil der Aktivitäten des BgA „Kurbetrieb“. Zum Kurbetrieb gehöre auch Werbung für den Tourismus. Der Kurbetrieb diene der Tourismusförderung des innergemeindlichen Kur-, Gast-, Erholungs- und Hotelgewerbes. Im Rahmen der Tourismusförderung würden auch Tätigkeiten zur Bewerbung der eigenen Naherholungsregion anfallen. Eine solche Tätigkeit stelle auch der Betrieb des Glühweinstandes dar.

Leitsätze:
1. Betreibt ein Kurort, der Fremdenverkehrsbeiträge gemäß Art. 6 des bayerischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) und Kurbeiträge gemäß § 7 KAG erhebt, in einer anderen Kommune im Rahmen des dortigen Weihnachtsmarktes einen Verkaufsstand (hier: Glühweinstand) mit dem Werbeziel, Touristen auf den Kurort aufmerksam zu machen, kann er den Verkaufsbetrieb mit dem Kurbetrieb auch dann nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG zu einem Betrieb gewerblicher Art zusammenfassen, wenn sich aus den Verkäufen erhebliche Gewinne ergeben.

2. Bei der Beurteilung der Gleichartigkeit ist auf die jeweilige Tätigkeit abzustellen. Die Betriebs-zwecke müssen sich entsprechen und die Tätigkeit muss demselben Gewerbezweig angehören.

3. Die Ausübung des Wahlrechts zur Zusammenfassung mehrerer gleichartiger Betriebe zu einem einheitlichen Betrieb gewerblicher Art setzt im Wesentlichen nur eine eigenständige steuerliche Ermittlung für die zusammengefasste Einheit voraus.

Das Finanzgericht München gab der Klage der K statt. Das Finanzamt sei zwar zu Recht davon ausgegangen, dass der Betrieb des Glühweinstandes einen eigenständigen BgA darstellt, jedoch komme im Streitfall gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG eine Zusammenfassung des BgA „Glühweinstand“ mit dem BgA „Kurbetrieb“ wegen Gleichartigkeit in Betracht.

Bei der Beurteilung der Gleichartigkeit sei nach der Rechtsprechung des BFH auf die jeweilige Tätigkeit abzustellen. Die Betriebszwecke müssen sich entsprechen und die Tätigkeit müsse demselben Gewerbezweig angehören.

Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen zwei Betrieben könne darüber hinaus aber auch dann vorliegen, wenn sich die beiden Betriebe stützen und ergänzen. Ein wesentliches Indiz hierfür könne darin gesehen werden, dass das Angebot der einen Betätigung die andere ergänze oder Kunden des einen Bereichs gelegentlich an den anderen Bereich weitergeleitet werden.

Der alleinige Betriebszweck beim Verkaufsstand, die „Touristenwerbung“, sei beim Kurbetrieb ein Teil des wesentlich weitergehenden Betriebszwecks und der umfassenderen Tätigkeiten. Im Punkt Touristenwerbung überschneiden sich die Betriebszwecke der beiden BgA. Dies rechtfertige die Annahme der Gleichartigkeit der Tätigkeiten. Zumindest aber ergänze der Betrieb des Verkaufsstands die Werbeaktivitäten des Kurbetriebs.

Die K habe auch von ihrem Wahlrecht, den BgA „Kurbetrieb“ und den BgA „Glühweinstand“ zusammenzufassen, Gebrauch gemacht. Die Ausübung des Wahlrechts zur Zusammenfassung mehrerer Tätigkeiten setze nach Auffassung der Finanzverwaltung keine organisatorische Zusammenfassung mehr voraus. Insoweit genüge eine eigenständige Gewinnermittlung für den zusammengefassten Betrieb. Dies sei im Streitfall geschehen.

Anmerkung:
Das Finanzgericht München geht in seinem Urteil vom 20.11.2020 zunächst davon aus, dass es sich beim Glühweinverkaufsstand um einen eigenständigen BgA neben dem BgA „Kurbetrieb“ handelt. Diese beiden BgA können – so das Finanzgericht – nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG zusammengefasst werden mit der Folge, dass der Gewinn des BgA „Glühweinstand“ mit dem Verlust des BgA „Kurbetrieb“ verrechnet werden kann.

Fraglich ist jedoch, ob die Tätigkeit des Kurbetriebs und der Betrieb des Glühweinstandes nicht doch – wie die K meint – als eine einheitliche „Einrichtung“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG und somit als ein BgA anzusehen ist. Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn gleichartige Tätigkeiten eine sog. funktionelle Einheit darstellen (vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 13.4.2021, www.bundesfinanzhof.de, und Finanzgericht Münster, Urteil vom 21.4.2021, www.fg-muenster.nrw.de).

Das Finanzgericht München bejahte bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG eine gleichartige Tätigkeit bei beiden Betrieben (Kurbetrieb, Betrieb des Glühweinstandes), insbesondere im Hinblick auf die Touristenwerbung. Eine funktionelle Einheit kann sich nach allgemeiner Auffassung z.B. aus einer besonderen Leitung, einem geschlossenen Geschäftskreis, der Buchhaltung oder aus einem ähnlichen auf eine Einheit hindeutenden Merkmal ergeben.

Im Streitfall werden die Einnahmen und Ausgaben des Kurbetriebs und die Einnahmen und Ausgaben des Glühweinstandes in der Haushaltsrechnung im Einzelplan 8 „Wirtschaftliche Unternehmen“ im Abschnitt 86 „Kur- und Badebetriebe“ erfasst. Diese Tatsache könnte für das Vorliegen einer funktionellen Einheit sprechen, so dass die Tätigkeiten des Kurbetriebs und der Betrieb des Glühweinstandes als eine „Einrichtung“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG angesehen werden könnten.

Im Hinblick auf das Ergebnis spielt es keine Rolle, ob ein BgA oder zwei zusammengefasste BgA besteht. In beiden Fällen erfolgt keine Besteuerung des Gewinns aus dem Betrieb des Glühweinstandes, weil dieser mit dem höheren Verlust des Kurbetriebs verrechnet werden kann.

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