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Facebook muss bei Beleidigungen Nutzer-Daten herausgeben
Ex-Bundesministerin Renate Künast gewinnt vor dem Bundesverfassungsgericht

Mit einem Beschluss vom 19. Dezember 2021 (1 BvR 1073/20) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Entscheidungen des Kammergerichts Berlin aufgehoben, das in mehreren Fällen Auskunftsansprüche der Grünen-Politikerin Renate Künast gegen die Social-Media-Plattform Facebook über personenbezogene Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer, die beleidigende Inhalte verbreitet hatten, abgelehnt hatte.

Während einer Debatte über häusliche Gewalt im Berliner Abgeordneten Haus im Jahr 1986 machte Renate Künast auf eine Zwischenfrage an eine Rednerin der Grünen, wie die Haltung ihrer Partei zur Pädophilie sie, nachdem die Grünen im Landtag von NRW beschlossen hätten, die Strafandrohung wegen sexuellen Handlungen an Kindern aufzuheben, folgenden Zwischenruf: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist.“

Ein Internetblogger nahm dies zum Anlass, ein Bild von Renate Künast auf Facebook einzustellen und mit dem Kommentar zu versehen: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist der Sex mit Kindern doch ganz ok. Ist mal gut jetzt.“

Künast nahm deshalb den Blog-Inhaber auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Daraufhin veröffentlichte dieser wiederum das Bild von Künast mit ihrem angeblichen Zitat. Zahlreiche Nutzer von Facebook gaben dazu insgesamt 22 Kommentare ab, die nach Ansicht von Künast alle beleidigenden Inhalt hatten. Aus diesem Grund nahm sie vor dem Landgericht Berlin gerichtliche Hilfe in Anspruch mit dem Begehren, Facebook zu verurteilen, Auskunft über die Bestandsdaten dieser Nutzer zu erteilen. Zu diesem Schritt sah sie sich durch § 14 Abs. 3 des Telemediengesetzes veranlasst, der für eine Auskunftsverpflichtung einer Social- Media-Plattform eine vorherige gerichtliche Anordnung vorsah.

Nachdem das Landgericht Berlin der Klägerin Künast nur in sechs von 22 Fällen einen Auskunftsanspruch zugestanden hatte und auf ihre Berufung hin das Kammergericht Berlin lediglich in sechs weiteren Fällen beleidigende Äußerungen feststellte, legte Künast Beschwerde beim BVerfG ein und rügte die Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Das BVerfG gab der ehemaligen Bundesministerin recht. Das Kammergericht muss nun erneut entscheiden und dabei zwischen Meinungsfreiheit der Facebook-User und Persönlichkeitsrecht von Künast abwägen. Nach Auffassung der Richter habe das Kammergericht die Bedeutung und Tragweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verkannt. Eine Beleidigung läge nämlich nicht nur dann vor, wenn eine Äußerung „lediglich als persönliche Herabsetzung oder Schmähung zu verstehen sei.“

Die Annahme, eine Äußerung erreiche eine strafrechtliche Relevanz erst dann, wenn ihr diffamierender Gehalt so erheblich sei, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheine, sei ein fehlerhafter Maßstab.

Tatjana Wellenreuther, Richard Boorberg Verlag