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Außerordentliche Kündigung kann auch bei schwerbehinderten Mitarbeitern gerechtfertigt sein

In einem aktuellen Urteil hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Düsseldorf die Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters wegen schwerer rassistischer und beleidigender Äußerungen gegenüber türkischstämmigen Fremdfirmenmitarbeitern bestätigt. Dabei sind die rechtlichen Hürden hoch und es ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Dass es immer auf den Einzelfall ankommt, zeigen verschiedene neuere Urteile des LArbG Baden-Württemberg.

Menschenverachtende Äußerungen

In dem vom LArbG Düsseldorf entschiedenen Fall handelt es sich um einen 55jährigen verheirateten Facharbeiter, der drei Kinder hat. Er ist mit einem GdB von 50 (ab diesem Wert spricht man von Schwerbehinderung) anerkannt. Der Mann hatte auf die Frage eines Kollegen, was er zu Weihnachten bekommen habe, wie folgt geantwortet: „Ich habe mir eine Gaskammer gewünscht, diese aber nicht erhalten. Die Türken soll man ins Feuer werfen und ihnen den Kopf abschlagen.“ Vorher hatte er Fremdmitarbeiter als „Ölaugen“, „Nigger“ und „meine Untertanen“ beschimpft.

Das LArbG kannte kein Pardon. Es erklärte die erfolgte Kündigung als sozial gerechtfertigt. Die menschenverachtenden Bezeichnungen seien „nicht hinnehmbare beleidigende Äußerungen“ und reduzierten „die türkischen Arbeitskollegen auf lebensunwerte Wesen“. Angesichts der menschenverachtenden Einstellung gegenüber den türkischstämmigen Beschäftigten sei eine vorherige Abmahnung für den Arbeitgeber unzumutbar. Die bei solchen Klageverfahren immer vorzunehmende Interessenabwägung fiel dann auch – trotz des hohen sozialen Besitzstands und der eher schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt – zu Ungunsten des Schwerbehinderten aus (Az. 5 Sa 231/20).

Hetzreden gegen dunkelhäutige Mitarbeiter

Dass grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen einen Grund für eine außerordentliche Kündigungen abgeben können, insbesondere wenn es sich um ausländerfeindliche oder rassistische Parolen handelt, sieht das LArbG Baden-Württemberg nicht anders. In einem kürzlich entschiedenen Fall, in dem ein schwerbehinderter Arbeiter am Ende einer Nachtschicht im Umkleideraum Hetzreden gegenüber mehreren dunkelhäutigen Mitarbeitern einer Fremdfirma vom Stapel ließ, fiel die Interessenabwägung der Richter allerdings zu Gunsten des gekündigten Arbeiternehmers aus.

Dem ebenfalls über 50jährigen Mann hielten die Richter in diesem Fall dessen Schwerbehinderung zu Gute. Dabei hatten sie den Eindruck gewonnen, dass es sich bei ihm um „eine eher einfachere Persönlichkeit“ handele; fehlgeleitet durch die „durch populistische Tabubrüche vergiftete Flüchtlingsdebatte“ habe er „unreflektiert ‚dummes Zeug hinterhergeschwätzt‘, ohne den menschenverachtenden Kern seiner Aussagen zu erkennen“, so die Richter (Az. 4 Sa 19/19).

Keine Milde walten ließ das LArbG dagegen in dem weiteren Fall eines Schwerbehinderten, dem wegen islamfeindlicher WhatsApp-Nachrichten gekündigt worden war. Angesichts der wiederholten, massiven Beleidigungen fiel in diesem Fall die Interessenabwägung wie im Fall des LArbG Düsseldorf zu Ungunsten des Schwerbehinderten aus (Az. 17 Sa 3/19).

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag