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Verfassungsbeschwerde: Jugendamtsträger können nicht Grundrechte von Kindern vor dem Bundeverfassungsgericht durchsetzen

Karlsruhe. Jugendämter haben einen Schutzauftrag für das Wohl von gefährdeten Kindern. Umgekehrt haben Kinder einen Anspruch auf Schutz durch den Staat. Trotzdem können sich Jugendämter bzw. deren Träger nicht wie Eltern an das Bundeverfassungsgericht (BVerfG) wenden, um für die Rechte des Kindes zu streiten. Dies entschied das BVerfG in einem aktuellen Beschluss, mit dem sie die Verfassungsbeschwerde des Landkreises für unzulässig erklärten. Landkreise können danach weder Rechte von Kindern im Wege der sogenannten Prozessstandschaft geltend machen noch können sie sich auf eigene Rechte berufen.

Jugendamt wollte Sorgerechtsentzug

In dem Fall geht es um ein Kind, welches das Jugendamt zeitweilig in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht hatte – aus Sorge vor Übergriffen des Lebensgefährten der Mutter des Kindes. Der Mann ist wegen Sexualdelikten vorbestraft. Das eingeschaltete Familiengericht, das OLG Karlsruhe, lehnte die vom Jugendamt angestrebte Entziehung des Sorgerechts der Mutter aber ab. Um den Sorgerechtsentzug doch noch zu erreichen, wandte sich der Landkreis an das BVerfG.

Verfassungsbeschwerde darf an sich nur erheben, wer in eigenen Rechten betroffen ist. Ausnahmsweise ist es aber zulässig, vor Gericht für „fremde“ Rechte einzutreten, im Zivilrecht etwa der Nachlassverwalter. Auch das BVerfG anerkennt in Ausnahmefällen eine solche Prozessstandschaft, nämlich dann, „wenn ansonsten die Gefahr bestünde, dass die betroffenen Rechte überhaupt nicht mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnten“.

Letzteres verneinten die Richter im aktuellen Fall und verwiesen auf gleich zwei bestehende gerichtliche Vertretungsmöglichkeiten für Kinder, nämlich die Bestellung eines Ergänzungspflegers sowie auf den Verfahrensbeistand.

Das staatliche Wächteramt

Ergänzungspfleger treten immer dann auf den Plan, wenn die an sich vertretungsberechtigten Eltern wegen Interessenwiderstreits das Kind nicht selbst vertreten können. Deren Einsatz wäre auch im entschiedenen Fall möglich gewesen, so die Richter. Ebenso anerkennt das BVerfG eine Prozessstandschaft für Verfahrensbeistände – eine Art Kinder- und Jugendanwalt; eine Verfahrensbeiständin war auch im konkreten familiengerichtlichen Verfahren bestellt worden, hatte aber eine andere Auffassung als das Jugendamt – kein Grund für das BVerfG, ihr die Kompetenz abzusprechen, im Sinne des Kindewohls zu handeln.

Schließlich half dem Landkreis auch nicht seine Funktion des „staatlichen Wächteramts“; für die mit dem Amt befasste Behörde bedeute dieses Amt Pflichten, nicht aber das Recht, Verfassungsbeschwerde zu erheben (Az. 1 BvR 1395/19).

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag