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Abschiebungsverbot nach Afghanistan: VGH modifiziert seine Rechtsprechung infolge der Corona-Pandemie

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat in einem aktuellen Urteil seine Rechtsprechung zu Abschiebungsverboten nach Afghanistan modifiziert. Danach dürfen angesichts der Corona-bedingten humanitären Situation in Afghanistan derzeit auch leistungsfähige, erwachsene Männer nicht abgeschoben werden.

Abschiebung nach Afghanistan

In dem entschiedenen Fall geht es um einen nach eigenen Angaben im Jahr 1998 oder 1999 geborenen Mann mit afghanischer Staatsangehörigkeit, dessen Asylantrag abgelehnt worden war. Um seine Abschiebung zu verhindern, begehrte er beim VGH die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich Afghanistans.

Rechtlicher Fixpunkt ist Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden darf. In solchen Fällen ist eine Abschiebung ausgeschlossen.

Nationales Abschiebungsverbot

Bereits in früheren Entscheidungen hatte der VGH festgestellt, dass unter den Begriff der unmenschlichen Behandlung nach Artikel 3 EMRK auch „schlechte humanitäre Verhältnisse“ fallen können, allerdings nur „in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen“. Leistungsfähige erwachsene Rückkehrer nach Afghanistan fielen aus Sicht des VGH nicht darunter.

In dem aktuellen, ausführlich begründeten Urteil konstatierten die Richter jetzt aber eine gravierende Verschlechterung der humanitären Lage in Afghanistan infolge der Corona-Pandemie. Auch ein arbeitsfähiger, junger Mann könne seine elementaren Bedürfnisse unter diesen Umständen nicht auf legalem Weg befriedigen, so der VGH.

Keine „begünstigenden Umstände“

Nur bei „besonderen begünstigenden Umständen“ darf nach wie vor abgeschoben werden, etwa wenn der Rückkehrer über ein tragfähiges familiäres oder soziales Netzwerk verfügt. Im Fall des Antragstellers war dies nicht der Fall: Sein drogenabhängiger und spielsüchtiger Vater hatte ihn bei einem Spiel „verwettet“ und verloren. Nachdem er wie ein Art Leibeigener beim „Gewinner“ Dienst verrichten musste, gelang ihm schließlich die Flucht nach Europa. Verbindungen in seine Heimat hat er nach eigenen Angaben keine mehr (Az. A 11 S 1042/20).

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag