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BAG zur Auskunft nach dem Entgelttransparenzgesetz: Bei geringerem Entgelt wird Diskriminierung vermutet

Erfurt. Seit 2017 gibt das Transparenzentgeltgesetz Arbeitnehmern das Recht, von ihrem Arbeitgeber Auskunft über die Festlegung des Entgelts und über das sogenannte Vergleichsentgelt zu erhalten. In einem viel beachteten Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jetzt entschieden, dass eine nach dem Transparenzentgeltgesetz gegebene Gehaltsauskunft die Vermutung begründen kann, dass eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts vorliegt. Ergibt die Auskunft, dass die Gehälter der Männer höher liegen, ist es am Arbeitgeber, diese Vermutung zu widerlegen. Mit dem Urteil hat das BAG die Rechtsstellung von Frauen deutlich gestärkt.

In dem entschiedenen Fall hatte eine bei der Landschaftlichen Brandkasse Hannover beschäftigte Abteilungsleiterin im August 2018 eine entsprechende Anfrage nach dem Vergleichsentgelt gestellt. Bei einer solchen Erfragung muss der Arbeitgeber das Vergleichsentgelt als Median, also als Zentralwert des durchschnittlichen Bruttomonatsentgelts von Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts in vergleichbarer Tätigkeit angeben. Die Auskunft im entschiedenen Fall ergab, dass das Vergleichsentgelt sowohl beim Grundentgelt als auch bei der Zulage über dem Entgelt der Abteilungsleiterin lag.

Die Frau klagte auf Zahlung der Differenz zwischen ihrer Vergütung und der ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelte für die Monate August 2018 bis Januar 2019. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Klage allerdings ab. Die Auskunft nach dem Transparenzentgeltgesetz sei nicht ausreichend, um damit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nachzuweisen, so das LAG, das weitere, zusätzliche Nachweise für eine Diskriminierung verlangt.

Jetzt entschied das BAG, dass die Gehaltsauskunft sehr wohl als Indiz für eine Diskriminierung ausreicht. Die Frau habe gegenüber der männlichen Vergleichsperson „eine unmittelbare Benachteiligung“ im Sinne des Transparenzentgeltgesetzes erfahren. Dieser Umstand begründe die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung, dass die Frau die Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ erfahren habe, so das BAG in seiner Pressemitteilung. Es verwies die Sache zur neuen Verhandlung an das LAG zurück, das jetzt dem Arbeitgeber Gelegenheit geben wird, die Diskriminierung zu widerlegen (Az. 8 AZR 488/19).

Der Gesetzgeber hatte das Entgelttransparenzgesetz 2017 eingeführt, um die Entgeltgleichheit in der Praxis zu stärken und besser durchzusetzen. Es gilt ausdrücklich auch für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Ausgenommen sind lediglich die Beamtinnen und Beamten der Länder und der Kommunen. Voraussetzung ist, dass in den Dienststellen in der Regel mehr als 200 Beschäftigte tätig sind. Auch wenn im öffentlichen Dienst geringere Verdienstunterschiede bestehen als in der Privatwirtschaft und das Thema mit Blick auf die bestehenden Tarifverträge und umfangreiche Besoldungstabellen weniger relevant ist, hat das Urteil auch Signalwirkung für öffentliche Arbeitgeber und Dienstherren.

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag