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BAG : 22 Jahre nach einer Vorbeschäftigung keine Gefahr einer Kettenbefristung

Anfang des Jahres hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt seine ständige Rechtsprechung zur sachgrundlosen Befristung – unfreiwillig – aufgegeben, nachdem ihm das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgehalten hatte, „den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers zu übergehen“. Jetzt präzisiert das BAG in einer zweiten Entscheidung seine neue Linie.

Es geht um eine Spezialfrage zum Befristungsrecht, ein Feld, das regelmäßig für juristische und auch heftige parteipolitische Debatten sorgt. Dürfen Arbeitgeber Mitarbeiter befristet beschäftigen und später erneut befristet einstellen, ohne dass ein besonderer Sachgrund für die Befristung vorliegen muss?

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz sieht dazu vor, dass Arbeitgeber Mitarbeiter ohne besondere Begründung bis zur Dauer von zwei Jahren befristet einstellen dürfen. Das gilt aber nicht, „wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat“.

In solchen Fällen ist ein besonderer Grund - wie etwa ein zeitweilig erhöhter Arbeitskräftebedarf - laut Gesetz eben doch erforderlich.

Über diese Regelung hatte sich das BAG in der Vergangenheit hinweggesetzt und entschieden, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt, gelte das Befristungsverbot nicht. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck des Gesetzes, so die Richter damals.

Dafür war das BAG heftig kritisiert worden, auch vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg. Das BAG setze sich mit seinen „semantisch bemerkenswerten Ausführungen“ über den Wortlaut des Gesetzes hinweg. Dies sei unzulässig.

Das BVerfG hatte die Kritik bestätigt und den Schutz der Arbeitnehmer „vor der Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit“ in das Zentrum seiner Argumentation gestellt.

Allerdings ließen die Richter aus Karlsruhe dem BAG eine Hintertür. Das BVerfG hatte bei seiner Prüfung auch Fälle vor Augen, in denen die betroffenen Arbeitnehmer vor Jahrzehnten einmal als Aushilfe bei der Firma beschäftigt waren oder nur ein kurzes Probearbeitsverhältnis absolviert hatten.

In solchen Fällen bestehe eben keine „Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten“, so das BVerfG. Ein Verbot der sachgrundlosen Befristung wäre in solchen Fällen unverhältnismäßig.

Genau hierauf bezog sich das BAG in dem aktuellen Fall. Eine Frau, die 1991 für rund ein Jahr als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld beschäftigt worden war, hatte die Arbeitsagentur 2014, also nach 22 Jahren, als Telefonserviceberaterin im Servicecenter erneut eingestellt.

Wie das BAG jetzt entschied, bestehe in einem solchen Fall einer 22 Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung keine Gefahr einer Kettenbefristung. Das Befristungsverbot sei daher in diesem Fall ausnahmsweise nicht anzuwenden (Az. 7 AZR 452/17).

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag