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VGH bejaht Verstoß gegen Rücksichtnahmegebot wegen unterbliebener Lärmschutzauflagen

Mannheim. Bauvorhaben größerer Unternehmen sind oft umstritten, vor allem wegen Sorgen von Anliegern vor Verkehrsbelastung und Lärm. Nicht selten landen Streitfälle vor Gericht, so auch im Fall eines geplanten Logistikzentrums in Philippsburg. In solchen Konstellationen geht es oft um das sogenannte „nachbarliche Rücksichtnahmegebot“. Wie der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim in dem aktuellen Eilverfahren erläutert, kann ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot auch vorliegen, wenn Baubehörden mögliche Lärmschutzauflagen nicht in Betracht ziehen.

Im entschiedenen Fall hatte das Landratsamt (LRA) Karlsruhe 2018 die Baugenehmigung für das in der Stadt heftig umstrittene Großprojekt erteilt. Das von einer Bürgerinitiative initiierte Eilverfahren scheiterte zunächst vor dem Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe. Es sei nicht zu erwarten, dass von dem Bauvorhaben unzumutbare Lärmimmissionen ausgingen, ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor, so die Sichtweise des VG.

Dem widersprach jetzt der VGH und stellte den folgenden Leitsatz auf: Eine Baugenehmigung verstößt gegen das Rücksichtnahmegebot, wenn die Behörde sachlich und rechtlich mögliche Maßnahmen zur Geräuschminderung gegenüber dem Anlagenbetreiber überhaupt nicht in Betracht gezogen hat.

Zu diesem Leitsatz brachte den VGH eine Regelung in der TA Lärm, wonach „Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs…durch Maßnahmen organisatorischer Art soweit wie möglich vermindert werden sollen“ (Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm). Wie der VGH dabei klarstellte, kommt der TA Lärm „eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung“ zu.

Im konkreten Fall hatte der VGH unter Rückgriff auf die TA Lärm dem vorliegenden Schallgutachten gewichtige Indizien für unzumutbare Geräuschimmissionen entnehmen können und dabei, anders als das LRA, auch die Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen berücksichtigt. Demgegenüber hatte das LRA im konkreten Fall an Maßnahmen zur Lärmschutzverminderung überhaupt nicht gedacht – mit der Folge, dass der VGH einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot bejahte.

Das LRA hätte dem Anlagenbetreiber also Auflagen machen müssen, etwa die Vorgabe, dass er den Lieferverkehr auf bestimmte Zeiten konzentrieren muss, oder Anweisungen zur Geschwindigkeitsverminderung der LKWs. Laut Beschluss sind unter Umständen sogar betriebliche Nebenbestimmungen möglich; eine mögliche Lärmminderungsmaßnahme hätte danach sogar die Verlegung einer Werkseinfahrt sein können (Az. 5 S 1819/20).

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag