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Newsletter Besteuerung der öffentlichen Hand 02/2021

Von Professor Thomas Maier, Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

Rechtsanwalt/Steuerberater

Nr. 02/2021

Aktuelle Urteile

Verpachtung eines Badesees mit Freibad durch eine jPdöR an eine Eigengesellschaft als Verpachtungs-BgA, wenn Zuschüsse der jPdöR höher sind als das Pachtentgelt

Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.12.2019 - I R 9/17 (www.bundesfinanzhof.de)

Sachverhalt:

Die Stadt S verpachtete im Streitjahr (2010) einen Badesee mit Freibad an die B-GmbH, an der sie über eine Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft (C-GmbH) zu 100 % beteiligt ist. Die B-GmbH verpflichtete sich in einem Betriebsüberlassungs- und Betriebsführungsvertrag u.a. auf dem Gelände jeweils von Mai bis September den Badebetrieb zu unterhalten. Sie erstellt bis zum 31.12. eines jeden Jahres die Ist-Abrechnung für die Sparte „Bäder“ sowie deren Wirtschaftsplan für das neue Geschäftsjahr. Auf dieser Grundlage zahlt die Stadt einen jährlichen Zuschuss für die Durchführung des Badebetriebes. Die Höhe des Zuschusses wird jährlich durch den Stadtrat für das Folgejahr beschlossen.

Im Streitjahr zahlte die B-GmbH für die Überlassung des Badesees mit Freibad einen Betrag i.H.v. 3.684 € an die S. Die Höhe der Pachtzahlung orientierte sich dabei an den Bodenwerten der zum Badebetrieb überlassenen Flächen. Die B-GmbH selbst erhielt von der S im Streitjahr einen Betriebskostenzuschuss i.H.v. 197.368,03 €. Auch in den Vorjahren überstieg der Betriebskostenzuschuss die Pachteinnahmen um ein Vielfaches. Die Zahlung des Zuschusses beruht auf dem jeweiligen Beschluss des Stadtrates der S.

In der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2010 erklärte die S hinsichtlich der Überlassung des Badesees mit Freibad einen Verlust i.H.v. 197.425 €. In dem vom Finanzamt erlassenen Körperschaftbescheid für das Jahr 2010 wurde die Körperschaftsteuer zunächst auf Null festgesetzt. Ferner wurde mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer der verbleibende Verlustvortrag auf den 31.12.2010 auf 3.178.847 € festgestellt.

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung bei der S hob das Finanzamt den auf Null lautenden Körperschaftsteuerbescheid 2010 auf. Im Streitfall liege – so das Finanzamt – kein BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG vor. Nach Auffassung des Finanzamts sei von einer unentgeltlichen Überlassung auszugehen. Aufgrund der Tatsache, dass die Zuschüsse weitaus höher seien als die Pacht sowie dem Umstand, dass Zuschuss und Pacht durch den Betreibervertrag miteinander verknüpft seien, fehle es der S an dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal der Einnahmeerzielungsabsicht.

Der Klage der Stadt S gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts gab das vorinstanzliche Sächsische Finanzgericht mit Urteil vom 10.01.2017 (EFG 2017 S. 1368) statt.

Leitsätze:

1. Der Begriff der „Verpachtung“ in § 4 Abs. 4 KStG setzt eine entgeltliche Überlassung von Einrichtungen, Anlagen oder Rechten voraus.

2. Die Verpachtung eines Badesees mit Freibad durch eine jPdöR an eine GmbH unter Gewährung eines die Pachtzahlungen übersteigenden Betriebskostenzuschusses stellt keine entgeltliche Überlassung der Einrichtung und damit keinen Verpachtungs-BgA dar, wenn sich die Höhe des Zuschusses nach einer am Jahresende vorzunehmenden Abrechnung richtet, in die u.a. auch die Pachtzahlungen als durch den Bäderbetrieb verursachten Aufwand einfließen.

Nach Auffassung des BFH führe die Verpachtung des Badesees mit Freibad im Streitfall – entgegen der Auffassung der Vorinstanz – nicht dazu, dass ein sog. Verpachtungs-BgA anzunehmen wäre.

Zu Unrecht sei die Vorinstanz davon ausgegangen, dass im Streitfall eine entgeltliche Überlassung des Schwimmbadbetriebs vorliege und die Gewährung des jährlichen Zuschusses für die zu erwartenden Verluste nach nicht mit dem von der B-GmbH zu zahlenden Pachtentgelt saldiert werden könne. Soweit die Vorinstanz zu der rechtlichen Würdigung gelange, dass ein „rechtlicher und tatsächlicher Zusammenhang" zwischen Pachtzahlung und Zuschussgewährung nicht bestehe, weil die Gewährung des Zuschusses auf der Grundlage des jeweiligen Stadtratsbeschlusses und nicht aufgrund des Betriebsüberlassungs- und Betriebsführungsvertrages erfolge, halte diese Auslegung einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung der Gegebenheiten könne es weder eine Rolle spielen, dass die Pachtzahlungen sich an den Bodenwerten der überlassenen Flächen orientieren noch die Gewährung des Zuschusses auf der Grundlage eines jeweils (separat) einzuholenden Stadtratsbeschlusses und nicht unmittelbar aufgrund des Betriebsüberlassungs- und Betriebsführungsvertrages erfolge. Entscheidend sei bei einer an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierten Betrachtung, dass sich die Höhe des jährlichen Zuschusses für die Durchführung des Badebetriebs an einer am Jahresende vorzunehmenden Abrechnung richte, in die u.a. auch die Pachtzahlungen als durch den Bäderbetrieb verursachten Aufwand einfließen. Damit trage im Ergebnis die wirtschaftliche Last der Pachtzahlungen nicht die Pächterin, sondern die Stadt S selbst.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sieht der BFH darin auch keine mit dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 KStG nicht zu vereinbarende Ungleichbehandlung von Verpachtungs-BgA auf der einen Seite und solchen BgA auf der anderen Seite, die von der jPdöR selbst betrieben werden. Der Fiktion des § 4 Abs. 4 KStG könne nicht die Intention des Gesetzgebers entnommen werden, im Falle der Überlassung des BgA an einen Dritten solle die Trägerkörperschaft steuerlich so behandelt werden, als würde sie den BgA weiterhin selbst betreiben. Steuerobjekt des BgA „Verpachtung" i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG sei der Ertrag aus dem Pachtverhältnis, nicht aber der Ertrag des verpachteten Betriebs.

Im Übrigen weist der BFH darauf hin, dass die Hinnahme strukturell bedingter Verluste durch einen BgA „Verpachtung" als vGA an die Trägerkörperschaft i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu werten wäre, wenn nicht die Voraussetzungen eines Dauerverlustgeschäfts i.S.d. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 7 Satz 2 KStG vorlägen, d.h. das Geschäft aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen ohne kostendeckendes Entgelt betrieben werde. Ein defizitäres Verpachtungsgeschäft als solches werde diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllen können (vgl. zur Verpachtung eines Freibads durch eine kommunale Eigengesellschaft: BFH, Urteil vom 09.11.2016, I R 56/15, BStBl. 2017 II S. 498).

Anmerkungen

1. Nach Auffassung des BFH sei ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG nur dann gegeben, wenn eine entgeltliche Überlassung von Einrichtungen, Anlagen oder Rechten erfolgt. Von einer Unentgeltlichkeit sei auszugehen, wenn sich die Höhe des (die Pachtzahlungen übersteigenden) Zuschusses nach einer am Jahresende vorzunehmenden Abrechnung richtet, in die u.a. auch die Pachtzahlungen als durch den Betrieb der verpachteten Einrichtung verursachten Aufwand einfließt. In diesen Fällen – so der BFH – trage bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht der Pächter, sondern der Verpächter (jPdöR) die wirtschaftliche Last des vereinbarten Pachtzinses. Fließen die Pachtzahlungen jedoch nicht in die Höhe des zu zahlenden Zuschusses ein, liegt m.E. eine entgeltliche Verpachtung und somit ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG vor, und zwar auch dann, wenn der gewährte Zuschuss höher ist als die Pachtzahlungen. Ein derartiger Fall dürfte gegeben sein, wenn es sich um einen fest vereinbarten Zuschuss handelt, der unabhängig von den tatsächlichen Betriebsaufwendungen des Pächters bezahlt wird. Liegt eine entgeltliche Verpachtung und somit ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG vor (siehe vorheriger Absatz) und erzielt der Verpachtungs-BgA – was wohl die Regel sein wird – dauerhaft Verluste, ist zu beachten, dass diese Verluste nach Auffassung des BFH nicht nach § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 7 Satz 2 KStG steuerbegünstigt sind (siehe hierzu die Ausführungen des BFH in Rdn. 14 des oben dargestellten Urteils vom 10.12.2019). Dies führt zur Annahme einer vGA.

2. Liegt bei der Überlassung von Einrichtungen (z.B. von Bädern) mangels Entgeltlichkeit kein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG vor und wurde die Einrichtung (z.B. ein Bad) zuvor selbst im Rahmen eines BgA i.S.d. § 4 Abs. 1 KStG betrieben, führt die nachfolgende Überlassung bzw. das Nichtvorliegen eines nachfolgenden Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG zur Betriebsaufgabe des bis zur Überlassung selbstbetriebenen BgA mit der Folge, dass eventuell vorhandene stille Reserven aufzudecken und zu versteuern sind.


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