Streuobstwiesen bei Nürtingen müssen Gewerbegebiet weichen
Rodungserlaubnis überwiegt dem Interesse am Erhalt der Streuobstfläche
In einem Eilrechtsverfahren hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 12. Januar 2023 (2 K 6423/22) einen Antrag des Naturschutzbund Deutschland – Landesverband Baden-Württemberg e.V. (NABU) auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die vom Landratsamt Esslingen erteilte Rodungserlaubnis von ca. 1700 m2 Streuobstwiesen für die in der Nähe von Nürtingen gelegene Gemeinde Großbettlingen abgelehnt.
Laut eines Bebauungsplans vom 22. März 2021 soll in der Gemeinde Großbettlingen in der Nähe von Nürtingen ein Gewerbegebiet auf einer Fläche entstehen, auf der sich drei Streuobstbestände mit einer Gesamtfläche von ca. 2400 m2 befinden. Um das Planungsvorhaben zu realisieren, müssen dazu 1700 m2 davon gerodet werden. Insoweit hatte die Gemeinde zuvor einen entsprechenden Umwandlungsantrag nach § 33a Abs. 2 NatSchG BaWü gestellt. Als Ausgleich will die Gemeinde in unmittelbarer Nachbarschaft ein neues Streuobstgebiet von ca. 3000 m2 Fläche anlegen.
Am 10. März 2021 wurde der Gemeinde eine Rodungsgenehmigung in der Zeit vom 1. November bis 28. Februar eines Jahres erteilt. Gegen diese naturschutzrechtliche Umwandlungsgenehmigung erhob NABU am 11. April 2022 Widerspruch. Am 24. Oktober 2022 beantragte die Gemeinde die sofortige Vollziehung der ihr erteilten Genehmigung. Daraufhin ordnete das Landratsamt Esslingen den Sofortvollzug der Rodungen an. Dagegen begehrte NABU in einem Eilrechtsverfahren vorläufigen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Dies hat das Gericht jetzt abgelehnt.
Der ablehnende Beschluss des Gerichts beruhte auf folgenden Erwägungen:
Eine summarische Prüfung habe ergeben, dass die vom NABU angegriffene Umwandlungsgenehmigung, also die Rodungserlaubnis der bestehenden Streuobstwiese, voraussichtlich rechtmäßig sei.
Nach einer vom Gericht durchgeführten Interessenabwägung überwiege das Interesse der Gemeinde am Sofortvollzug der Rodungserlaubnis gegenüber dem Interesse von NABU am Erhalt der Streuobstfläche. Eine notwendige Auslegung des § 33a Abs. 2 NatSchG BaWü komme zum Ergebnis, dass der Anspruch zur Umwandlung von Streuobstwiesen in eine andere Nutzungsart dann bestehe, wenn ein öffentliches Interesse am Erhalt eines bestimmten Streuobstbestandes nicht vorliege.
In Anbetracht einer vorgesehenen Ausgleichsmaßnahme in Form einer geplanten 3000 m2 großen neuen Streuobstfläche in der Nähe des beabsichtigten Gewerbegebiets sei dies vorliegend der Fall, so das VG Stuttgart abschließend.
Tatjana Wellenreuther, Richard Boorberg Verlag