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Newsletter Besteuerung der öffentlichen Hand 08/2021

Von Professor Thomas Maier, Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

Rechtsanwalt/Steuerberater

Nr. 08/2021

Aktuelles Urteil

Betrieb mehrerer Photovoltaikanlagen als ein Betrieb gewerblicher Art
Finanzgericht Münster, Urteil vom 21.4.2021 (13 K 3663/18 K,G), www.fg-muenster.nrw.de, und Deutsche Steuerzeitung 2021 S. 555

Sachverhalt:

Die Gemeinde G betrieb in den Streitjahren (2012 bis 2016) sechs Photovoltaikanlagen auf verschiedenen Schuldächern sowie auf den Dächern des städtischen Bauhofes, der Feuerwehr und des Klärwerks.

Die G ging davon aus, dass es sich bei den sechs Photovoltaikanlagen jeweils um selbständige Betriebe gewerblicher Art (BgA) i.S.v. § 4 Abs. 1 KStG handelte, und reichte daher für jede Anlage gesondert eine Körperschaftsteuererklärung ein. Das jeweils durch Einnahme-Überschuss-Rechnung ermittelte Einkommen erklärte die Klägerin wie folgt:

Tabelle

Das Finanzamt erließ zunächst erklärungsgemäße Körperschaftsteuerbescheide. In diesen Bescheiden berücksichtigte das Finanzamt den Freibetrag gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 KStG, so dass sich in den meisten Fällen eine Körperschaftsteuer von 0,00 € ergab. Die Körperschaftsteuerbescheide standen gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nach Durchführung einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die sechs Photovoltaikanlagen der G als einheitliche Einrichtung und damit als ein BgA i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG zu behandeln seien. Zur Begründung führte es aus, dass die Photovoltaikanlagen als ein einheitlicher BgA anzusehen seien. Der Betrieb der sechs Photovoltaikanlagen betreffe denselben Gewerbezweig; die Stromlieferungen erfolgten an dasselbe Versorgungsunternehmen. Die Tätigkeit sei somit gleichartig. Die Photovoltaikanlagen befänden sich in räumlicher Nähe zueinander. Weiterhin sei nicht erkennbar, dass die einzelnen Photovoltaikanlagen wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch selbständig seien; im Gegenteil trage die G selbst vor, dass die Verwaltung, Abrechnung und Buchführung durch dieselbe Abteilung, nämlich das Bau- und Planungsamt, erfolge.

Das FA erließ deshalb geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2016. Die Bescheide wurden an die G für ihren „BgA Photovoltaik” bekannt gegeben. Zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens addierte das Finanzamt die von der G jeweils gesondert für die Photovoltaikanlagen erklärten Gewinne; den Freibetrag gem. § 24 KStG zog das Finanzamt hiervon lediglich einmalig ab. Außerdem erließ das Finanzamt Gewerbesteuer-Messbescheide für 2012 bis 2016; den Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG berücksichtigte das FA ebenfalls nur einmal.

Nichtamtliche Leitsätze:

1. Betreibt eine Gemeinde mehrere Photovoltaikanlagen, sind diese als einheitlicher BgA i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG zu behandeln, wenn sie eine funktionelle Einheit bilden.

2. Die wirtschaftliche Hervorgehobenheit i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG ist auch bei Umsätzen von nicht mehr als 35.000 € (vgl. R 4.1 Abs. 5 Satz 1 KStR 2015) gegeben, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts mit ihrer Tätigkeit zu Unternehmen der Privatwirtschaft unmittelbar in Wettbewerb tritt.

Das Finanzgericht Münster bestätigte in seinem Urteil die Auffassung des Finanzamts. Die von der G betriebenen Photovoltaikanlagen seien als einheitlicher BgA i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG zu qualifizieren.

Unstreitig sei, dass die Photovoltaikanlagen der G einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG dienen, da der produzierte Strom gegen Entgelt in das allgemeine Stromnetz eingespeist werde. Es handele sich insbesondere nicht um einen Hoheitsbetrieb i.S.d. § 4 Abs. 5 KStG, da die G bei dem Betrieb der Photovoltaikanlagen nicht anders als ein privater Anbieter agiere.

Entgegen der Auffassung der G seien die Photovoltaikanlagen als eine einheitliche Einrichtung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG anzusehen. Nach der Rechtsprechung des BFH sei eine Einrichtung jede funktionelle Einheit, die sich von dem sie organisatorisch tragenden Hoheitsbetrieb als gesonderte selbständige Betätigung abgrenzen lasse, im Rahmen einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Erzielung von Einnahmen diene und geeignet sei, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, also wettbewerbsrelevant sei (BFH, Urteil vom 22.9.1976, BStBl. II 1976 S. 793; BFH, Urteil vom 14.4.1983, BStBl. II 1983 S. 491; BFH, Urteil vom 27.6.1990, BFH/NV 1991 S. 628). Eine funktionelle Einheit könne sich nach allgemeiner Auffassung z. B. aus einer besonderen Leitung, einem geschlossenen Geschäftskreis, der Buchhaltung oder aus einem ähnlichen auf eine Einheit hindeutenden Merkmal ergeben. Verschiedene wirtschaftliche Tätigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts seien nach Auffassung der Finanzverwaltung dann als Einheit zu behandeln, wenn dies der Verkehrsanschauung entspreche (R 4.1 Abs. 3 Satz 3 KStR 2015).

Unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Rechtsgrundsätze seien die Photovoltaikanlagen als eine einheitliche Einrichtung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG zu qualifizieren, da sie eine funktionelle Einheit im Sinne der BFH-Rechtsprechung bilden. Ausweislich des Haushaltsplanes der G sei die Verantwortung für sämtliche Photovoltaikanlagen bei einem einzigen Mitarbeiter der G konzentriert. Ein ergänzendes Indiz für das Bestehen einer funktionellen Einheit liege darin, dass die Photovoltaikanlagen in den Jahresberichten der G als eigenständiger Geschäftskreis geführt werden. Die Annahme, dass es sich bei den sechs Photovoltaikanlagen um eigenständige BgA – also im Wortsinn um „eigenständige“ Betriebe – handele, erscheine angesichts der Gleichartigkeit der wirtschaftlichen Betätigung und ihrer organisatorischen Zusammenfassung bei der G gekünstelt.

Für die Qualifikation der Photovoltaikanlagen der G als einheitlicher BgA spreche weiterhin, dass diese Sichtweise in Einklang mit den allgemeinen gewerbesteuerrechtlichen Grundsätzen stehe. Danach sei bei gleichartigen Betätigungen im Regelfall von einem einheitlichen Betrieb auszugehen, soweit ein zumindest geringfügiger wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang bestehe. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall vor. Es handele sich bei dem Betrieb der Photovoltaikanlagen durch die G unbestreitbar um gleichartige Tätigkeiten. Diese weisen zudem einen zumindest geringfügigen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhang auf, da die Verantwortung für die Photovoltaikanlagen bei einem Verwaltungsmitarbeiter gebündelt sei und da die Ergebnisse der Photovoltaikanlagen auch in der Buchführung der G zusammengefasst dargestellt werden.

Die vorstehend dargestellten Rechtsgrundsätze stehen entgegen der Auffassung der G nicht in Widerspruch zur gesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG, nach der gleichartige BgA durch die Steuerpflichtigen zusammengefasst werden dürfen. Denn die Prüfung, ob ein einheitlicher und eigenständiger BgA i.S.d. § 4 Abs. 1 KStG vorliege, sei der möglichen Zusammenfassung rechtlich eigenständiger BgA gem. § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG logisch vorgelagert und von dieser zu trennen. Deshalb werde die Regelung in § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG nicht gegenstandslos. Es seien durchaus Sachverhaltskonstellationen denkbar, in denen juristische Personen des öffentlichen Rechts zwar mehrere gleichartige wirtschaftliche Betätigungen ausüben, diese jedoch wegen eines fehlenden wirtschaftlichen, organisatorischen oder finanziellen Zusammenhangs ungeachtet ihrer Gleichartigkeit als eigenständige BgA i.S.d. § 4 Abs. 1 KStG zu qualifizieren seien. Der Regelung des § 4 Abs. 6 KStG verbleibe damit auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats ein hinreichender Anwendungsbereich.

Der Betrieb der Photovoltaikanlagen hebe sich auch – wie von § 4 Abs. 1 Nr. 1 KStG vorausgesetzt – innerhalb der Gesamtbetätigung der G hervor. Denn es handele sich um eine abgrenzbare wirtschaftliche Betätigung, durch welche die G unmittelbar in Wettbewerb zu privaten Wirtschaftsteilnehmern trete. Hinzu komme, dass die G durch den Betrieb der Photovoltaikanlagen nachhaltig Umsätze in erheblicher Höhe erziele. Die insoweit von der Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen festgelegte Umsatzgrenze von 35.000 € (vgl. R 4.1 Abs. 5 Satz 1 KStR 2015) werde in Rechtsprechung und Literatur zumeist kritisch beurteilt. Einigkeit bestehe jedoch darin, dass das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Herausgehobenheit auch bei geringeren Umsätzen regelmäßig dann erfüllt sei, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts mit ihrer Tätigkeit zu Unternehmen der Privatwirtschaft unmittelbar in Wettbewerb trete. Deshalb müsse der Betrieb von Photovoltaikanlagen zur Einspeisung in das allgemeine Stromnetz unabhängig von der Höhe der erzielten Umsätze stets als herausgehobene wirtschaftliche Betätigung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG angesehen werden. Denn es bestehe unzweifelhaft eine Wettbewerbssituation der jeweiligen juristischen Person des öffentlichen Rechts zu privaten Wirtschaftsteilnehmern, die dieselbe Tätigkeit ausüben. Auch wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts nur geringe Umsätze bzw. Gewinne aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen erziele, liege demnach zwingend ein BgA vor; die Steuerfreiheit des Gewinns könne sich allenfalls aus den Freibetragsregelungen gem. § 24 KStG und § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewStG ergeben, soweit der Gewinn den Betrag von 5.000,00 € pro Jahr nicht übersteige.

Die Revision zum BFH wurde vom Finanzgericht Münster zugelassen.

Anmerkung:

Im Urteilsfall war streitig, ob die G mit dem Betrieb der sechs Photovoltaikanlagen sechs einzelne BgA oder nur einen (einheitlichen) BgA unterhält. Die G war der Auffassung, dass insoweit sechs einzelne BgA gegeben seien, mit der Folge, dass die Freibeträge nach § 24 Satz 1 KStG und § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG – jeweils 5.000 € - bei jedem einzelnen BgA, also sechsmal, in Anspruch genommen werden können.

Zu beachten ist, dass die G selbst von sechs BgA ausgeht, obwohl jede einzelne Photovoltaikanlage die von der Finanzverwaltung (für das in § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG geforderte wirtschaftliche Herausgehobensein) vorgegebene Umsatzgrenze von 35.000 € (R 4.1 Abs. 5 Satz 1 KStR 2015) wohl nicht überschritten hat (geht aus dem Sachverhalt nicht hervor, ist jedoch – zumindest für einzelne Photovoltaikanlagen – zu vermuten). Möglicherweise hat die G von ihrem „Wahlrecht“ in R 4.1 Abs. 5 Satz 3 und 4 KStR 2015 Gebrauch gemacht, wonach bei Umsätzen von nicht mehr als 35.000 € „besondere Gründe“ (z. B. eine Wettbewerbssituation) vorgetragen werden können. Diese Handlungsweise würde unter Geltung des § 2 Abs. 3 UStG (alte Rechtslage) im Hinblick auf den Vorsteuerabzug für die Errichtung der Photovoltaikanlagen Sinn machen, denn der Vorsteuerabzug besteht in diesen Fällen nur dann, wenn die G einen BgA unterhält und somit Unternehmer nach § 2 Abs. 3 UStG Unternehmer ist, dem grds. der Vorsteuerabzug i.S.d. § 15 UStG zusteht.

Unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung gingen das Finanzamt und schließlich auch das Finanzgericht Münster davon aus, dass im Streitfall nicht sechs BgA, sondern nur ein einheitlicher BgA vorliegt. Es handele sich um eine einheitliche „Einrichtung“ i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG, weil die sechs Photovoltaikanlagen eine „funktionelle Einheit“ bilden. Dies ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass die Photovoltaikanlagen unter einer einheitlichen Leitung stehen. Hinzu kommt noch, dass die Photovoltaikanlagen in den Jahresberichten der G als eigenständiger Geschäftskreis geführt werden.

Dem Einwand der G, dass die beim Tatbestandsmerkmal „Einrichtung“ in § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG durchzuführende Prüfung, ob ein BgA vorliegt oder mehrere BgA gegeben sind, die Regelung in § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG, nach der gleichartige BgA zusammengefasst werden können, überflüssig machen würde, widerspricht das Finanzgericht. Die Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Einrichtung“ in § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG, also die Frage, ob ein einheitlicher und eigenständiger BgA gegeben ist, sei vor der Prüfung einer möglichen Zusammenfassung rechtlich eigenständiger BgA nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG durchzuführen.

Interessant sind auch die Ausführungen des Finanzgerichts Münster zu der von der Finanzverwaltung festgelegten Umsatzgrenze von 35.000 € (R 4.1 Abs. 5 Satz 1 KStR 2015) bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „wirtschaftliches Herausheben“ in § 4 Abs. 1 KStG. Danach sei dieses Tatbestandsmerkmal auch bei Umsätzen von nicht mehr als 35.000 € erfüllt, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts mit ihrer Tätigkeit zu Unternehmen der Privatwirtschaft unmittelbar in Wettbewerb trete. Es liege in diesen Fällen zwingend ein BgA vor.

Das Urteil des Finanzgerichts Münster hat auch Konsequenzen für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die mehrere gleichartige Tätigkeiten mit Umsätzen von nicht mehr als 35.000 € je Tätigkeit ausüben (z. B. der Betrieb mehrerer Photovoltaikanlagen oder Parkplätze) und die von ihrem „Wahlrecht“ nach R 4.1 Abs. 5 Satz 3 und 4 KStR 2015 keinen Gebrauch machen (kein Vortragen „besonderer Gründe“). Liegt in diesen Fällen eine vom Finanzgericht Münster beschriebene „funktionelle Einheit“ vor, könnte das Finanzamt – auch ohne Zustimmung der juristischen Person des öffentlichen Rechts – die einzelnen Tätigkeiten zu einer einheitlichen „Einrichtung“ iSd § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG zusammenfassen und als einheitlichen BgA bewertenn, wenn die Summe der Einnahmen/Umsätze der einzelnen Tätigkeiten mehr als 35.000 € beträgt.


Aktuelles aus der Finanzverwaltung

Disquotale Verlusttragung bei Eigengesellschaften mit mehreren juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Gesellschafter im Rahmen des § 8 Abs. 7 KStG
Bundesministerium der Finanzen (BMF), Schreiben vom 6.7.2021, „(www.bundesfinanzministerium.de)“ und Deutsches Steuerrecht 2021 S. 1709

Nach § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG sind die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt, nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG steuerbegünstigtes Dauerverlustgeschäft ausüben.

Weitere Voraussetzung für diese Rechtsfolge ist, dass nachweislich und ausschließlich die beteiligte(n) juristischen Person(en) die Verluste aus Dauerverlustgeschäften trägt bzw. tragen. Diese Voraussetzung war nach Rdn. 28 des BMF-Schreibens vom 12.11.2009 (BStBl. I 2009 S. 1303) bei Beteiligung von mehreren juristischen Personen des öffentlichen Rechts dann erfüllt, wenn sich die jeweilige Verlustausgleichspflicht nach der Beteiligungsquote dieser Gesellschafter bemaß. Eine nicht den Beteiligungsquoten entsprechende Verlusttragung – sog. disquotale Verlusttragung – wurde von der Finanzverwaltung nicht anerkannt. Mit Schreiben vom 6.7.2021 lässt das BMF nunmehr eine disquotale Verlusttragung zu und ersetzt die bisherige Rdn. 28 im BMF-Schreiben vom 12.11.2009 (a.a.O.) durch folgende neue Rdn. 28 und 28 a:

28
Die gesamten Verluste aus den einzelnen Dauerverlustgeschäften, die sich handelsrechtlich vor Verlustübernahme oder einer anderweitigen Verlustkompensation ergeben, müssen nachweislich von der jPöR als Gesellschafter getragen werden. Dies gilt auch, wenn sich bei der Gesellschaft selbst handelsrechtlich in der Summe kein Verlust ergibt. Für die Tragung der Verluste ist es nicht notwendig, dass die Verluste jährlich seitens der jPöR mittels Einlagen ausgeglichen werden. Es reicht aus, dass sie von der jPöR wirtschaftlich im Ergebnis getragen werden. Maßgebend sind die Verhältnisse des Einzelfalls. Sind mehrere jPöR Gesellschafter, so müssen die gesamten Verluste nachweislich von diesen beteiligten jPöR getragen werden. Die jeweilige Verlusttragungspflicht kann sich hierbei sowohl nach Maßgabe der Beteiligungsquote als auch nach anderen, nachprüfbar vernünftigen Aufteilungsmaßstäben richten.

28 a Beispiel:
Die Gemeinden A und B sind jeweils zur Hälfte Gesellschafter einer GmbH, die in A und B jeweils ein Bad betreibt. Beide Bäder erzielen Dauerverluste. Die beiden Gemeinden haben eine von der Beteiligungsquote abweichende Verlusttragung vereinbart. Diese legt fest, dass die (Teil-)Verluste nach Maßgabe der im jeweiligen Gemeindegebiet entstehenden Bäderverluste zu tragen sind. Die vorliegende Verlusttragungsvereinbarung ist anzuerkennen. Damit ist die GmbH eine Eigengesellschaft im Sinne des § 8 Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 KStG.“


Übertragung eines Bauhofs mit befreiender Wirkung auf eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts unter Geltung des § 2 b UStG
Bayerisches Landesamt für Steuern, Verfügung vom 18.6.2021, www.finanzamt.bayern.de

Kommunale Bauhöfe haben vielfältige Aufgaben: u.a. Unterhaltung der Straßen, Wege und Plätze, Winterdienst, Straßenreinigung, Kanalunterhaltung. Einige bayerische Kommunen haben die Aufgaben des Bauhofs auf eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts (z. B. auf eine andere Kommune, einen Zweckverband oder eine Verwaltungsgemeinschaft) übertragen.

In der Verfügung vom 18.6.2021 teilt das Bayerische Landesamt für Steuern mit, dass die Übertragung der Aufgaben des gesamten Bauhofs von einer Kommune auf eine andere Kommune nicht steuerbar sei. Da eine vergleichbare Übertragung der Aufgaben des gesamten Bauhofs auf einen privaten Rechtsträger mit befreiender Wirkung kommunalrechtlich nicht möglich sei, sei diese Leistung nicht marktrelevant (§ 2 b Abs. 1 Satz 2 UStG). Die Kommunen könnten eine vergleichbare Leistung nicht bei privatwirtschaftlichen Marktteilnehmern beziehen, weil diese zwar einzelne Hilfstätigkeiten erbringen dürften, nicht aber die Aufgaben insgesamt mit befreiender Wirkung übernehmen könnten. Die Übertragung der gesamten Aufgaben könne damit nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen, so dass keine Umsatzsteuer anfalle.

Hinweis:
Zu beachten ist, dass eine Nichtsteuerbarkeit nur bei einer Übertragung der Aufgaben in Gänze gegeben ist. Werden lediglich einzelne Tätigkeiten übernommen, ist regelmäßig von einem steuerbaren Umsatz auszugehen, wenn nicht die Voraussetzungen des § 2 b Abs. 2 Nr. 1 UStG (gleichartige Umsätze von mehr als 17.500 € im Jahr) vorliegen.

Umsatzsteuersatz für das Legen eines Wasseranschlusses
Bayerisches Landesamt für Steuern, Verfügung vom 17.5.2021, www.finanzamt.bayern.de

Unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 4.2.2021, www.bundesfinanzministerium.de, nimmt das Bayerische Landesamt für Steuern in seiner Verfügung vom 17.5.2021 zu bestimmten Situationen beim Legen eines Wasseranschlusses wie folgt Stellung:

1. Erstellung und Unterhalt des Hausanschlusses durch den Wasserversorger (Kommunalregie)
Der Wasserversorger wendet den ermäßigten Steuersatz an.
Sofern der Wasserversorger im Innenverhältnis ein Bauunternehmen mit den Bauarbeiten beauftragt, so hat das Bauunternehmen gegenüber dem Wasserversorger den vollen Steuersatz anzuwenden.

2. Erstellung des Hausanschlusses in Anliegerregie (Beauftragung des Bauunternehmens durch den Grundstückseigentümer)
Das Bauunternehmen wendet den ermäßigten Steuersatz an.

3. Die Kommunalregie bezieht sich nur auf den Bereich des öffentlichen Straßengrunds; der restliche Bereich wird in Anliegerregie erbracht.
Sowohl der Wasserversorger als auch das Bauunternehmen wenden den ermäßigten Steuersatz an.

4. „Beauftragung“ des Bauunternehmens durch den Wasserversorger und Abrechnung zwischen Bauunternehmen und Grundstückseigentümer
Das Bauunternehmen wendet den ermäßigten Steuersatz an.

5. Erstellung des öffentlichen Wasserversorgungsnetzes durch ein Bauunternehmen im Auftrag des Wasserversorgers
Das Bauunternehmen wendet den vollen Steuersatz an.
Gehört zum Auftragsumfang auch die Herstellung der Hausanschlüsse im öffentlichen Straßengrund, so liegt eine Nebenleistung vor, die ebenfalls mit dem vollen Steuersatz abzurechnen ist (es liegt insoweit eine bayerische Besonderheit vor, als Art 9 Absatz 1 KAG eine individuelle Abrechnung der Hausanschlusskosten im öffentlichen Straßengrund bei einer Kommunalregie nicht zulässt. Diese Teile der Hausanschlüsse müssen vom Wasserversorger mit hergestellt werden und dürfen nur über Beiträge und Gebühren refinanziert werden).

6. Mehrspartenanschlüsse
Typischerweise wird in Neubauten ein Mehrspartenanschluss gesetzt, d.h., dass lediglich eine Bohrung im Haus vorgenommen wird, in welche dann verschiedene Versorgungsleitungen gelegt werden. Gemeinsame Kosten (Tiefbauarbeiten) für einen Mehrspartenanschluss sind nicht nach Steuersätzen aufzuteilen. Vielmehr handelt es sich um eine einheitliche Leistung, die dem Regelsteuersatz unterliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH und des EuGH kann sich eine einheitliche Leistung ergeben, wenn zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Unternehmers für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 13. Juni 2018 – XI R 2/16 - BStBl. II S. 678 oder EuGH-Urteil vom 2. Juli 2020 – C-231/19).
Entscheidend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers (vgl. Abschnitt 3.10 Abs. 1 S. 3 UStAE). Danach ist die entscheidende Leistung der Einbau des Mehrspartenanschlusses und somit der Zugang zu sämtlichen Versorgungsleistungen. Eine Aufspaltung der einheitlichen komplexen Leistung „Verlegung eines Mehrspartenanschlusses“ wäre aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers wirklichkeitsfremd. Dem Verbraucher geht es gerade um die Verbindung der Leistungselemente, sodass auch der Umstand, dass die einzelnen Bestandteile im Wirtschaftsleben auch durchaus getrennt erbracht werden, keine Aufspaltung des Vorgangs rechtfertigt (vgl. Abschn. 3.10 Abs. 3 Satz 3 UStAE).
Da das Legen des Hauswasseranschlusses nicht den (alleinigen) Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung bildet, sondern die nicht begünstigten Leistungsbestandteile überwiegen (Anschluss für Strom, Telekommunikation und Gas), unterliegt die Gesamtleistung „Verlegung des Mehrspartenanschlusses“ als einheitliche komplexe Leistung dem allgemeinen Steuersatz.

7. Nichtbeanstandungsregelung bezüglich Tz 1
Aufgrund bislang anderslautender Äußerungen der Bayerischen Finanzverwaltung wird es nicht beanstandet, wenn das Bauunternehmen in einer vor dem 31. Mai 2021 ergangenen Abrechnung gegenüber dem Wasserversorger mit dem ermäßigen Steuersatz abgerechnet hat.

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