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Newsletter Besteuerung der öffentlichen Hand 07/2019

Von Professor Thomas Maier, Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

Rechtsanwalt/Steuerberater

Nr. 07/2019 (Oktober 2019)

Aktuelles aus der Verwaltung

Bemessungsgrundlage der Kapitalertragsteuer bei einer Zusammenfassung von unterschiedlichen Tätigkeiten in einer kommunalen Personengesellschaft

BFH, Urteil vom 26.6.2019 – VIII R 43/15 (www.bundesfinanzhof.de)

Sachverhalt:

Die Gemeinde X ist alleinige Anteilseignerin der I-GmbH & Co. KG (im Weiteren: I-KG). Die I-KG, die einen (handelsrechtlichen) Jahresabschluss mit Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung erstellt, betätigt sich u.a. als Versorgungsbetrieb. Daneben betreibt sie auch ein Eisstadion. In der Handelsbilanz der I-KG sind die Ergebnisse der (ertragreichen) Versorgungsbetriebe und des (defizitären) Eisstadions zusammengefasst.

Das Finanzamt ging (im Einvernehmen mit der I-KG) ertragsteuerlich von zwei nicht nach § 4 Abs. 6 KStG zusammenfassbaren BgA aus, die jeweils im Rahmen eines Regiebetriebs geführt werden: Zum einen der BgA „Beteiligung“, dessen Gewinn ohne Verrechnung mit dem Verlust aus dem Eisstadion steuerlich festgestellt wurde, und zum anderen der BgA „Eisstadion“, für den eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs erfolgte.

Der Stadtrat der X beschloss in den Jahren 2003, 2004 und 2005 jeweils eine Entnahme aus dem Jahresgewinnen der I-KG für 2002, 2003 und 2004. Ausgangspunkt der Berechnung der für die Festsetzung der Kapitalertragsteuer maßgeblichen entnahmefähigen Beträge war jeweils der in den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen der I-KG ausgewiesene Gewinn aus sämtlichen Tätigkeiten der I-KG inklusive des Betriebs des Eisstadions. Von diesen Gewinnen wurden aufgrund der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung in die Kapitalrücklagen der I-KG eingestellte „Mindestgewinne" abgezogen und auf Ebene der I-KG thesauriert.

Das Finanzamt berücksichtigte dagegen bei der Ermittlung der kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinne nicht die Verluste des Stadions. Es ließ lediglich den Rückbehalt des sog. „Mindestgewinns“ bei der I-KG als steuerlich zulässige Rücklage i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG zu. Außerdem verminderte es die Bemessungsgrundlage der Kapitalertragsteuer um die auf den Gewinn entfallende Körperschaftsteuer nebst Solidaritätszuschlag (sowie Zinsen). Die Gemeinde X ist der Auffassung, dass die Bemessungsgrundlage der Kapitalertragsteuer darüber hinaus auch um den Verlust des Eisstadions zu mindern sei.

Leitsätze

1. Werden einzelne dauerdefizitäre Tätigkeitsfelder einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, an der eine Trägerkörperschaft als Mitunternehmerin beteiligt ist, sowohl im Rahmen der Einkünfteermittlung der Mitunternehmerschaft als auch für Zwecke der Körperschaftsteuer als eigenständige BgA (Regiebetriebe) behandelt, kann zur Ermittlung des Gewinns i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG nicht ohne Weiteres an den entnommenen Gewinnanteil angeknüpft werden, wenn dieser auf den Erträgen aus sämtlichen Tätigkeitsfeldern beruht.

2. Können die sich aus der Beteiligung an der Personengesellschaft ergebenden einzelnen BgA nicht nach § 4 Abs. 6 KStG zusammengefasst werden, ist bei der Festsetzung der Kapitalertragsteuer hinsichtlich des Gewinns des einen BgA der Verlust des anderen BgA nicht zu berücksichtigten.

Nach Auffassung des BFH habe das Finanzamt bei der Ermittlung des Gewinns nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG für den BgA „Beteiligung“ zu Recht nicht nur den tatsächlich entnommenen Gewinnanteil aus der I-KG, sondern auch die auf der Ebene der I-KG zur Deckung der Verluste des Eisstadions verwendeten Mittel berücksichtigt.

Beteilige sich eine jPdöR wie die Stadt X an einer gemäß § 15 Abs. 2 EStG gewerblich tätigen Personengesellschaft wie der I-KG, werden hierdurch nach ständiger Rechtsprechung des BFH regelmäßig ein oder mehrere BgA i.S.d. § 4 Abs. 1 KStG begründet. Letzteres sei hier der Fall. Der BgA „Beteiligung“ der X sei – wie auch der BgA „Eisstadion“ – als Regiebetrieb ohne eigene Rechtspersönlichkeit i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG einzuordnen.

Bestehe der BgA – wie im Streitfall – aus der Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft, sei für die Ermittlung des Gewinns gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG zwischen der Ermittlung des Gewinns der Gesellschaft und der Ermittlung des Gewinns für den BgA „Beteiligung“ zu unterscheiden. Der Kapitalertragsteuer unterliege auf Ebene des BgA „Beteiligung“ als Gewinn grds. „sein" (verwendungs- und rücklagenfähiger) handelsrechtlicher Jahresüberschuss i.S.d. § 275 HGB. In diesen handelsrechtlich (verwendungs- und rücklagenfähigen) Jahresüberschuss und damit in den Gewinn des BgA „Beteiligung“ gem. § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG sei der handelsrechtliche Gewinnanteil aus dem Gesamthandsbereich der I-KG einzubeziehen; zudem umfasse der kapitalertragsteuerpflichtige Gewinn des BgA des Mitunternehmers auch die Sondervergütungen.

Das Finanzamt und auch das vorinstanzliche Finanzgericht München haben bei der Ermittlung der kapitalertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage für den BgA „Beteiligung“ in Gestalt des „nicht den Rücklagen zugeführten Gewinns" i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG im Ergebnis zutreffend jedoch nicht nur den tatsächlich entnommenen Gewinnanteil aus der I-KG berücksichtigt, sondern auch diejenigen Beträge einbezogen, die auf Ebene der I-KG bei der Ermittlung des handelsrechtlichen Jahresüberschusses die Verluste aus dem Betrieb des Eisstadions gedeckt haben.

Die Einnahmen und Ausgaben aus dem Betrieb des Eisstadions seien aus der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der I-KG segmentiert worden. Der Betrieb des Eisstadions bildete körperschaftsteuerrechtlich einen eigenständigen BgA (Regiebetrieb). Diese Behandlung liege auch den ausnahmslos bestandskräftig gewordenen Feststellungs- und Körperschaftsteuerbescheiden der Streitjahre zugrunde. Der BgA „Beteiligung“ und der BgA „Eisstadion“ haben zudem nach körperschaftsteuerrechtlichen Regeln auf Ebene der Trägerkörperschaft nicht (wieder) zu einem einheitlichen BgA zusammengefasst werden können. Für die Streitjahre haben – vor Einfügung der Regelungen des § 4 Abs. 6 KStG – noch die vom BFH für die Zusammenfassung von BgA entwickelten Grundsätze gegolten. Die nach diesem Maßstab zwischen den genannten BgA erforderliche enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung habe nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts nicht bestanden. Dies könne bei der Ermittlung der kapitalertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage nicht unberücksichtigt bleiben.

In der Rechtsprechung des BFH sei anerkannt, dass der grds. handelsrechtlich auszulegende Begriff des Gewinns eines BgA i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG bei der Beteiligung der Trägerkörperschaft an einer gewerblichen Personengesellschaft unter Umständen modifizierend verstanden werden müsse, um die kapitalertragsteuerliche Bemessungsgrundlage zutreffend zu ermitteln. Eine solche modifizierende Auslegung des Gewinnbegriffs zur zutreffenden Ermittlung der kapitalertragsteuer-pflichtigen Bemessungsgrundlage des BgA „Beteiligung“ sei auch im Streitfall geboten.

Die Beträge, die auf Ebene der I-KG bei der Ermittlung des handelsrechtlichen Gewinns zur Deckung des Defizits des BgA „Eisstadion“ verwendet wurden, seien zwar nicht in den Gewinnanteil eingegangen, den die Stadt X aus der I-KG entnommen habe, sie seien aber auch nicht in der I-KG verblieben. Wenn die Verrechnung der Ergebnisse aus den übrigen Sparten der I-KG mit dem Ergebnis aus dem Betrieb des Eisstadions auf Ebene der I-KG nicht stattgefunden hätte, wären die zur Verlustdeckung verwendeten Beträge zusätzlich entnahmefähig gewesen und in den kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinn eingegangen. Sie seien daher in den Gewinn des BgA „Beteiligung“ i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG einzubeziehen.

Der nach den vorstehenden Grundsätzen zu ermittelnde Gewinn des BgA „Beteiligung“ sei um die bei ihm anfallenden Ertragsteuern zu mindern. Dies sei vom Finanzamt berücksichtigt worden. Seine Höhe sei zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG für eine Steuerpflicht der Kapitalerträge der Streitjahre aus dem BgA „Beteiligung“ liegen vor. Der BgA Beteiligung sei nicht von der Körperschaftsteuer befreit gewesen. Die darüber hinaus grundsätzlich erforderliche Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich führe zwar nur die I-KG und nicht der BgA „Beteiligung“ durch. § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG finde im Streitfall aber dennoch Anwendung, da im BgA „Beteiligung“ die Gewinnschwelle in Höhe von jeweils 30.000 EUR in den Streitjahren bereits durch die entnahmefähigen Gewinnanteile überschritten worden seien. Zudem bestehen auf Grundlage der den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts keine Anhaltspunkte, dass für die an die Stadt X als ausgeschüttet geltenden Gewinne ganz oder teilweise das steuerliche Einlagekonto verwendet worden sei und damit die Ausnahmevoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 b Satz 5 EStG i.V.m. Nr. 1 Satz 3 EStG erfüllt sein könnten.

Anmerkung

Die Beteiligung einer jPdöR an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, die unterschiedliche Tätigkeiten ausübt, führt auf der Ebene der jPdöR zu einem oder mehreren BgA (BFH, Urteil vom 25.3.2015, BStBl. II 2016 S. 172, und Urteil vom 25.11.2017, BStBl. II 2018 S. 495; BMF, Schreiben vom 28.1.2019, BStBl. I 2019 S. 97, Rz. 30). Der BFH stellt nun in seinem Urteil vom 26.6.2019 klar, dass diese für das Körperschaftsteuerrecht geltende Segmentierung auch bei der Ermittlung der Kapitalertragsteuer nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG gilt. Übt deshalb eine kommunale Personengesellschaft mehrere unterschiedliche sowohl gewinn- als auch verlustträchtige Tätigkeiten aus, die als BgA – wie im obigen Urteilsfall der BgA „Beteiligung“ und der BgA „Eisstadion“ – nicht nach § 4 Abs. 6 KStG zusammenfassbar sind, ist für die Ermittlung der kapitalertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage auf das Ergebnis jeder einzelnen Tätigkeit abzustellen; eine Verrechnung der Gewinne aus der einen Tätigkeit mit den Verlusten aus der anderen Tätigkeit ist in diesen Fällen nicht möglich.

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