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Newsletter Besteuerung der öffentlichen Hand 05/2019

Von Professor Thomas Maier, Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

Rechtsanwalt/Steuerberater

Nr. 05/2019 (Juni 2019)

Aktuelles Urteil

Zuordnung der Abgabe von Zytostatika durch eine Krankenhausapotheke zum Zweckbetrieb i.S.d. § 67 AO

Bundesfinanzhof, Urteil vom 6.6.2019 – V R 39/17 www.bundesfinanzhof.de

Sachverhalt:

Die Körperschaft K ist Trägerin eines gemeinnützigen Plankrankenhauses, bei dem es sich um einen Zweckbetrieb i.S.d. § 67 AO handelt, der nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit ist.

In dem Krankenhaus wurden an Krebs erkrankte Patienten stationär und ambulant durch Chemotherapien mit Zytostatika behandelt. Die ambulanten Behandlungen erfolgten in den Streitjahren (2005 bis 2012) im Wesentlichen durch bei der K angestellte Ärzte, die insoweit jeweils gem. § 116 SGB V bzw. § 31 a Ärzte-ZV zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt waren, sowie in geringem Umfang durch Ärzte, denen keine entsprechende Ermächtigung erteilt worden war. Alle Ärzte führten ihre ambulanten Behandlungen jeweils nicht als Dienstaufgabe im Auftrag der K, sondern im Rahmen einer ihnen erlaubten Nebentätigkeit durch. Sie rechneten ihre Behandlungsleistungen jeweils selbst ab und waren auch für die Versteuerung selbst verantwortlich.

Zur Versorgung des Krankenhauses mit Arzneimitteln unterhält die K eine Krankenhausapotheke, die neben den Leistungen zur Versorgung der stationär untergebrachten Patienten auch die Zytostatika für die ambulante Chemotherapie im Krankenhaus lieferte. Die hierfür erforderlichen Zytostatika wurden auf Einzelrezepten durch die Krankenhausapotheke hergestellt und geliefert. Die Abrechnung gegenüber den Privatpatienten und gegenüber den Krankenkassen, mit denen eine Vereinbarung gem. § 129 a Satz 1 SGB V bestand, erfolgte durch die K.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Abgabe der Zytostatika an ambulant behandelte Patienten sei dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen, da die Ärzte die Behandlungen freiberuflich im Rahmen ihrer Nebentätigkeit erbracht hätten. Etwas Anderes (d.h. Zuordnung zum Zweckbetrieb „Krankenhaus“) würde nur dann gelten, wenn die Behandlungsleistungen als Dienstaufgabe im Rahmen einer nichtselbständigen Tätigkeit erfolge. Dies sei im Streitfall jedoch nicht gegeben.

Das vorinstanzliche Finanzgericht Münster (Urteil vom 17.8.2017, EFG 2017 S. 1689) wies die Klage der K insoweit ab, als Zytostatika an Patienten der nicht ermächtigten Ärzte der Frauenklinik und der Urologie abgegeben worden waren. Demgegenüber gab das Finanzgericht der Klage insoweit statt, als Zytostatika durch die Krankenhausapotheke an Patienten zur ambulanten onkologischen Behandlung durch Krankenhausärzte, die hierzu gemäß § 116 SGB V oder § 31a Ärzte-ZV zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten ermächtigt waren, abgegeben worden waren, da dies im Rahmen des Zweckbetriebs erfolgt sei. Hiergegen richtete sich die Revision des Finanzamts an den Bundesfinanzhof.

Leitsatz

Für die Zurechnung von Behandlungsleistungen mit Abgabe von Zytostatika zum Zweckbetrieb Krankenhaus ist es nicht erforderlich, dass die Behandlung von Patienten des Krankenhauses durch einen ermächtigten Arzt als Dienstaufgabe innerhalb einer nichtselbständigen Tätigkeit erbracht wird.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs sei die Revision des Finanzamtes unbegründet und daher zurückzuweisen. Zu Recht sei das Finanzgericht davon ausgegangen, dass die K von der Körperschaftsteuer befreit ist, soweit die Krankenhausapotheke an die gemäß § 116 SGB V im Rahmen von danach zulässigen Nebentätigkeiten behandelten Patienten Zytostatika abgegeben habe.

Die Abgabe der Zytostatika durch die Krankenhausapotheke zur anschließenden Verabreichung an die nach § 116 SGB V ambulant behandelten Patienten sei dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzurechnen. Nach der Rechtsprechung des BFH seien alle Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen, dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzurechnen. Es handele sich jedenfalls solange um eine typischerweise gegenüber den Patienten erbrachte Leistung, als das Krankenhaus zur Sicherstellung seines Versorgungsauftrages von Gesetzes wegen zu dieser Leistung befugt sei und der Sozialversicherungsträger als Kostenträger für seine Versicherten deshalb grundsätzlich zahlen müsse. Auch die Abgabe von Zytostatika an ambulant behandelte Patienten sei eine von einem Krankenhaus typischerweise gegenüber den Patienten erbrachte Leistung. Sie diene allein dazu, eine effektive ambulante onkologische Behandlung im Krankenhaus zu gewährleisten, die – wie auch die Zytostatika-abgabe – grundsätzlich zu Lasten der Krankenkassen erfolge.

Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diese Rechtsprechung habe das Finanzgericht im Streitfall zutreffend entschieden, dass die Behandlungen durchgeführt worden seien, um eine effektive ambulante onkologische Behandlung im Krankenhaus zu gewährleisten, die ebenso wie die Zytostatikaabgabe grundsätzlich zu Lasten der Krankenkassen erfolge. Die ambulante onkologische Behandlung sei insoweit als ärztliche Leistung vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst gewesen und deshalb grundsätzlich dem Zweckbetrieb zuzurechnen, da sie der Behandlung und Heilung, jedenfalls der Linderung der Krebserkrankungen der zu behandelnden Patienten diene.

Entgegen der Ansicht des Finanzamts komme es für die Zurechnung zum Zweckbetrieb nicht zusätzlich darauf an, dass die Ärzte ihre auf Grund der Ermächtigungen gem. § 116 SGB V bzw. § 31a Ärzte-ZV durchgeführten ambulanten Behandlungen nicht auf Grund eines eigenen Willensentschlusses, sondern auf Grund ihres Dienstvertrages als Dienstaufgabe (im Rahmen einer nichtselbständigen Tätigkeit) durchführen. Denn entscheidend sei, dass die Zytostatika im Rahmen einer nach § 116 SGB V sozialversicherungsrechtlich zulässigen Behandlung abgegeben worden seien, nicht aber, ob es sich bei Anwendung dieser Vorschrift um eine Dienstaufgabe oder eine Nebentätigkeit handele. Insbesondere im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Versorgungssicherheit und die durch § 67 AO angeordnete Maßgeblichkeit des Sozialversicherungsrechts sei es für die Zurechnung von Behandlungsleistungen mit Abgabe von Zytostatika zum Zweckbetrieb Krankenhaus nicht erforderlich, dass die Behandlung von Patienten des Krankenhauses durch einen ermächtigten Arzt als Dienstaufgabe innerhalb einer nichtselbständigen Tätigkeit mit Einkünften nach § 19 EStG erbracht werde. Auch bei Leistungen, die ein Arzt im Rahmen seiner Nebentätigkeitserlaubnis und damit außerhalb seiner dienstvertraglichen Pflichten im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit mit Einkünften nach § 18 EStG erbringe und der vom Patienten erteilte Behandlungsauftrag durch den Arzt auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko erfüllt werde, seien die Leistungen vielmehr sozialversicherungsrechtlich vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst.

Anmerkung

Schon im Urteil vom 31.7.2013 (BStBl. II 2015 S. 123) hat der BFH entschieden, dass ein gemäß § 116 SGB V bzw. § 31 a Ärzte-ZV ermächtigter Arzt als Krankenhausarzt und nicht als außerhalb des Krankenhausbetriebs praktizierender niedergelassener Arzt betrachtet wird und insoweit seine Behandlungsleistungen innerhalb der zum Krankenhaus gehörenden ambulanten Onkologie – somit im Rahmen eines Zweckbetriebes des Krankenhauses – erbracht hat. Im damaligen BFH-Fall kam jedoch – anders als im oben dargestellten BFH-Fall – hinzu, dass der betreffende Arzt die ambulanten Behandlungen nicht aufgrund eines eigenen Willensentschlusses, sondern auf Grund seines Dienstvertrages als Dienstaufgabe im Rahmen einer nichtselbständigen Tätigkeit für das Hospital durchgeführt hat.

Der BFH hat nunmehr die Zuordnung der Zytostatikaabgabe an ambulant behandelte Patienten zum Zweckbetrieb i.S.d. § 67 AO auch dann bejaht, wenn die ambulante Behandlung durch gemäß § 116 SGB V bzw. § 31 a Ärzte-ZV ermächtigte Krankenhausärzte erfolgt und diese Ärzte die Tätigkeiten im Rahmen ihrer erlaubten (selbständigen) Nebentätigkeiten durchführen. Zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Abgabe von Zytostatika an ambulant behandelte Patienten durch Krankenhausapotheken: siehe BFH, Urteil vom 24.9.2014, BStBl. II 2016 S. 781, und BMF, Schreiben vom 28.9.2016, BStBl. I 2016 S. 1043.

Aktuelles aus der Verwaltung

Personalgestellung gegen Kostenerstattung durch juristische Personen des öffentlichen Rechts an Betriebe gewerblicher Art anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts

Finanzministerium Baden-Württemberg, Schreiben an die Kommunalverbände in Baden-Württemberg vom 12.4.2019, - Az. 3-S710.7/12

Stellt eine juristische Person des öffentlichen Rechts Bedienstete aus ihrem Hoheitsbereich an Betriebe gewerblicher Art anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechs ab, so liegt in dieser Personalüberlassung grundsätzlich ein eigener Betrieb gewerblicher Art „Personalüberlassung“ vor, sofern die Voraussetzungen von R 4.1 Abs. 4 und 5 der Körperschaftsteuerrichtlinien 2015 gegeben sind. Die Personengestellung ist in diesem Fall nicht durch hoheitliche Zwecke veranlasst, sondern dient wirtschaftlichen Zielen. Umsatzsteuerlich handelt die betreffende juristische Person des öffentlichen Rechts als Unternehmer und erbringt umsatzsteuerbare Leistungen an die andere juristische Person des öffentlichen Rechts (Abschn. 2.11 Abs. 15 Beispiel 3 UStAE).

In der Vergangenheit wurde auf Bund-Länder-Ebene entschieden, dass in den genannten Fällen unter bestimmten Voraussetzungen kein Betrieb gewerblicher Art – und somit keine Unternehmereigenschaft der juristischen Person des öffentlichen Rechts nach § 2 Abs. 3 UStG – gegeben ist (vgl. z.B. OFD Hannover, Verfügung vom 22.8.2002, Umsatzsteuer-Rundschau 2002 S. 42 zur Arbeitnehmerüberlassung zwischen Universität und Universitätsklinikum; OFD Karlsruhe, Verfügung vom 28.2.2012, Umsatzsteuer-Rundschau 2012 S. 938 zur Personalgestellung bei Zuweisungen i.S.d. § 123 a Beamtenrechtsrahmengesetz). Folgende Voraussetzungen mussten (kumulativ) vorliegen:

1. Die entgeltliche Personalgestellung ist eine Folge organisatorisch bedingter äußerer Zwänge (z.B. Wechsel der Rechtsform – ohne Rücksicht auf Wechsel der Inhaberschaft –, Unkündbarkeit der Bediensteten),

2. die Beschäftigung gegen Kostenerstattung erfolgt im Interesse der betroffenen Bediensteten zur Sicherstellung der erworbenen Rechte aus dem Dienstverhältnis mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts,

3. die Personalgestellung ist begrenzt auf den zum Zeitpunkt der Umwandlung vorhandenen Personalbestand, so dass sich der Umfang mit Ausscheiden der betreffenden Mitarbeiter von Jahr zu Jahr verringert und

4. die Gestellung des Personals darf nicht das äußere Bild eines Gewerbebetriebes annehmen.

Das Finanzministerium Baden-Württemberg teilt nun in seinem Schreiben vom 12.4.2019 an die baden-württembergischen Kommunalverbände mit, dass nach einem Beschluss auf Bund-Länder-Ebene diese Verwaltungsregelungen vor dem Hintergrund der zwingenden unions-rechtlichen Vorgaben unter Geltung des § 2 b UstG für umsatzsteuerliche Zwecke nicht fortgeführt werden können.

Sofern keine Optionserklärung abgegeben wurde und die Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand in § 2 b UStG bereits Anwendung findet, sind die Verwaltungsregelungen bereits zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr einschlägig. Bei abgegebener Optionserklärung sind die Verwaltungsregelungen nur noch bis 31.12.2020 anwendbar.

Hinweis:

Die oben genannte Verwaltungsauffassung zur Personalgestellung bei organisatorischen Umstrukturierungen (d.h. kein BgA bei Vorliegen der vier Voraussetzungen) findet für ertragsteuerliche Zwecke weiterhin unverändert Anwendung.