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Newsletter Besteuerung der öffentlichen Hand 04/2020

Von Professor Thomas Maier, Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

Rechtsanwalt/Steuerberater

Nr. 04/2020

Aktuelle Urteile

Anwendung der Spartenregelung auch auf sog. Altverluste

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.9.2019 (www.bundesfinanzhof.de)

Sachverhalt:

Der Landkreis B ist (über die C-GmbH) mittelbarer Gesellschafter der A-GmbH. Die A-GmbH war bis zum 31.12.2006 Pächterin und Betreiberin des Museums D. Verpächter des Museums war der Land-kreis B. Ab dem 1.1.2007 wurde das Museum D nicht mehr von der A-GmbH, sondern von der Schwe-stergesellschaft F-GmbH betrieben. Hierzu schloss die A-GmbH mit der F-GmbH einen (Unter-)Pacht-vertrag ab. Ab dem 1.1.2007 hat die A-GmbH nicht nur Einkünfte aus der (Unter-)Verpachtung des Museums D an die F-GmbH, sondern auch Einkünfte aus Bauleistungen und Beteiligungen an Personengesellschaften. Der zum 31.12.2008 festgestellte Verlustvortrag zur Körperschaft- und Gewerbesteuer betrug 6.178.226 €. Ab dem 1.1.2009 erzielte die A-GmbH mit der Verpachtung des Museums folgende Gewinne: 2009 – 14.676 €, 2010 – 25.069 €, 2011 – 3.483 €. Lediglich im Jahr 2012 entstand bei der Verpachtung des Museums ein Verlust i.H.v. 357 €. Aus den sonstigen Tätigkeiten (Bauleistungen, Beteiligungen an Personengesellschaften) erzielte die A-GmbH durchweg Gewinne. Für das Streitjahr (2009) bildete das Finanzamt unter Anwendung des § 8 Abs. 9 KStG zwei Sparten: Die Sparte 1 „Museum“ umfasste die Verpachtung des Museumsbetriebs; die Sparte 2 „übrige Tätigkeiten“ umfasste Bauleistungen und Beteiligungen an Personengesellschaften. Den zum 31.12.2008 festgestellten Verlustvortrag i.H.v. 6.178.226 € ordnete das Finanzamt vollständig der Sparte 1 zu und verrechnete die Verlustvorträge mit den positiven Einkünften aus der Museumsverpachtung. Eine Verrechnung der Verlustvorträge mit den positiven Einkünften aus der Sparte 2 erfolgte nicht. Das Finanzamt unterwarf deshalb die Gewinne der Sparte 2 der Körperschaft- und Gewerbesteuer. Die A-GmbH macht im Wesentlichen geltend, dass sie seit 2007 keine strukturell defizitäre Tätigkeit mehr ausübe und deshalb die Spartenrechnung nach § 8 Abs. 9 KStG nicht durchzuführen sei.

Leitsatz

§ 8 Abs. 9 KStG erfordert nicht, dass im Zeitpunkt der Anwendung der Norm noch eine strukturell dauerdefizitäre Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG ausgeübt wird; es genügt, dass die festgestellten Dauerverluste aus einer solchen Tätigkeit herrühren. Nach Auffassung des BFH sei das Finanzamt zu Recht davon ausgegangen, dass die sog. Spartenregelung nach § 8 Abs. 9 KStG auf die bis einschließlich des Jahres 2006 entstandenen Verluste aus dem Betrieb des Museums anzuwenden ist. Dementsprechend habe das Finanzamt die Einkünfte der A-GmbH zutreffend zwei Sparten zugeordnet, den zum 31.12.2008 festgestellten Verlustvortrag vollständig der Sparte 1 zugerechnet und die festgestellten Verlustvorträge lediglich mit (geringfügigen) positiven Einkünften aus der Verpachtung des Museums im Streitjahr verrechnet, nicht aber mit den Einkünften der Sparte 2 „übrige Tätigkeiten". Diese Einkünfte habe das Finanzamt zu Recht der Besteuerung unterworfen und entsprechend Körperschaftsteuer sowie einen Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr festgesetzt. Obwohl die A-GmbH seit dem 1.1.2007 aufgrund des Betriebs des Museums durch eine Schwestergesellschaft selbst kein Dauerverlustgeschäft mehr ausübe und somit dem Grunde nach die Begünstigung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG seither nicht mehr in Anspruch nehmen könne, sei das Finanzamt zutreffend davon ausgegangen, dass dies die Anwendung von § 8 Abs. 9 KStG auf die zum 31.12.2008 festgestellten „Altverluste" im Streitfall nicht hindere. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut von § 8 Abs. 9 Satz 1 KStG. Danach sei Voraussetzung für die Anwendung der sog. Spartenrechnung, dass „für Kapitalgesellschaften § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 zur Anwendung kommt". Die Vorinstanz habe festgestellt, dass aus dem Betrieb des Museums bis einschließlich 2006 Dauerverluste erzielt und diese Verluste nicht als vGA berücksichtigt worden seien. Im Ergebnis sei daher für diesen Zeitraum nach der rückwirkend (§ 34 Abs. 6 Satz 4 KStG) anzuwendenden Vorschrift des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG zu Gunsten der A-GmbH verfahren worden. Die Vorschrift sei damit i.S.d. § 8 Abs. 9 Satz 1 KStG zur Anwendung gekommen. Die Verwendung der Zeitform Präsens in der gesetzlichen Formulierung („zur Anwendung kommt") statt der Zeitform Perfekt („zur Anwendung gekommen ist") stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Übergangsregelung des § 34 Abs. 6 Satz 10 KStG bringe, indem sie eine sachgerechte Aufteilung für auf den Schluss des Veranlagungszeitraums 2008 festgestellte Verlustvorträge nach Maßgabe des § 8 Abs. 9 KStG verlange, hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Spartenrechnung des § 8 Abs. 9 KStG (auch) auf sog. Altverluste angewendet werden soll. Dabei werde nicht vorausgesetzt, dass auch im Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des § 8 Abs. 9 KStG – vorliegend mithin im Streitjahr – noch eine strukturell dauerdefizitäre Tätigkeit ausgeübt werden müsse; es genüge, dass die Verluste aus einer solchen Tätigkeit herrühren. Der Senat vermag danach weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 8 Abs. 9 KStG eine einschränkende Auslegung i.S.d. Revisionsbegehrens der A-GmbH entnehmen.

Anmerkung

Der BFH befasst sich in seinem Beschluss vom 23.9.2019 mit der bisher noch nicht entschiedenen Streitfrage, ob § 8 Abs. 9 KStG entgegen seinem Wortlaut auch dann anzuwenden ist, wenn im Jahr seiner erstmaligen Geltung (2009) kein (steuerbegünstigtes) Dauerverlustgeschäft betrieben wurde. Diese Streitfrage ist immer dann relevant, wenn die (steuerbegünstigte) Dauerverlusttätigkeit iSd § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG vor dem 1.1.2009 eingestellt worden ist und die daraus resultierenden Verlustvorträge mit Gewinnen aus einer ab dem Jahr 2009 ausgeübten anderweitigen Tätigkeit ausgeglichen werden sollen. Der BFH wendet in diesen Fällen § 8 Abs. 9 KStG an und ordnet die bis zum 31.12.2008 festgestellten Verluste aus der dauerdefizitären Tätigkeit den Gewinnen derjenigen Spartentätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 9 Satz 1 KStG zu, die im Zusammenhang mit der bisherigen dauerdefizitären Tätigkeit steht. Eine Vorlage an den EuGH zu der Frage, ob § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unterliege, war nicht erforderlich. Denn selbst wenn die Vorlagefrage zu bejahen wäre, dürfte der BFH aufgrund des sog. Verböserungsverbots die Rechtsposition der A-GmbH im Vergleich zur Rechtslage vor Klageerhebung nicht verschlechtern. Denn bei Nichtgeltung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG wären die im Streitfall zum 31.12.2008 festgestellten Verluste der A-GmbH wegen der dann anzunehmenden vGA (vgl. BFH, Urteil vom 22.8.2007, BStBl. II 2007 S. 961) nicht vorhanden und somit auch nicht verrechenbar mit den positiven Einkünften der ab 2009 gebildeten Sparte 1. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei der nationale Richter nicht dazu verpflichtet, von Amts wegen eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts anzuwenden, wenn er infolge einer derartigen Anwendung den im einschlägigen nationalen Recht verankerten Grundsatz des Verböserungsverbots durchbrechen müsste.

Entgeltliche Überlassung eines Dorfgemeinschaftshauses für private Feiern und an einen Musikverein als eine nach § 4 Nr. 12 a UStG steuerfreie Leistung

Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.9.2019, EFG 2020 S. 137 (Revision anhängig; Az. des BFH: XI R 33/19)

Tatbestand:

Die Gemeinde G errichtete in den Streitjahren (2012 bis 2014) ein Dorfgemeinschaftshaus, das im Jahr 2014 fertig gestellt wurde und über einen großen und kleinen Saal sowie eine mit Elektrogeräten, Geschirr und Besteck ausgestattete Küche und eine Thekenanlage im großen Saal verfügte. Der große und der kleine Saal wurden nach der Fertigstellung im Jahr 2014 unentgeltlich an Vereine überlassen und für Gemeinderatssitzungen genutzt sowie – jeweils für einen Tag – an nicht unternehmerisch tätige Privatpersonen für Familienfeiern, Beerdigungen und ähnliche Anlässe vermietet, wobei keine Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Hierfür flossen der G im Streitjahr 2014 insgesamt 755 € zu. Soweit die Mietverträge die Vereinbarung einer „Reinigungspauschale (inkl. Geschirr- und Besteckkontrolle)“ ermöglichten, wurde hiervon in den Streitjahren kein Gebrauch gemacht. In der Nutzung des Dorfgemeinschaftshauses war die Nutzung des dort vorhandenen Geschirrs und Bestecks inbegriffen. Ab dem 1.10.2014 vermietete die G den großen Saal des Dorfgemeinschaftshauses an den Musikverein R e.V. (Musikverein) zur gelegentlichen Nutzung. Die Nutzung durfte einmal wöchentlich in der Zeit von 19 bis 21 Uhr erfolgen. Dem Musikverein war es gestattet, während und nach den Proben Getränke zu verkaufen. Die vorhandene Thekeneinrichtung durfte für diesen Zweck genutzt werden. Der Musikverein zahlte im Jahr 2014 Miete i.H.v. 60 € an die G. In ihren USt-Erklärungen für die Streitjahre gab die G steuerpflichtige Ausgangsumsätze zu 19 % sowie Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern an, wobei die Vorsteuerbeträge ausschließlich auf die Errichtung und den Betrieb des Dorfgemeinschaftshauses entfielen. In den nach einer USt-Sonderprüfung geänderten USt-Bescheiden für die Streitjahre brachte das Finanzamt keine Vorsteuerbeträge im Hinblick auf die Errichtung und den Betrieb des Dorfgemeinschaftshauses in Abzug. Nach Auffassung des Finanzamts handele es sich bei der Nutzungsüberlassung der Veranstaltungsräume um eine zwingend nach § 4 Nr. 12a UStG steuerbefreite Grundstücksvermietung ohne Optionsmöglichkeit i.S.v. § 9 UStG, was den Abzug der Vorsteuern aus der Errichtung und Unterhaltung des Gemeindehauses ausschließe. Auch die Zurverfügungstellung der Küche sowie des Bestecks und des Geschirrs wiesen keinen prägenden Leistungscharakter auf und seien aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers nebensächlich. Es handele sich hierbei lediglich um Nebenleistungen zur vertraglich vereinbarten Überlassung der Säle bzw. Teilen davon, welche umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung teilten. Daran ändere auch nichts die Kurzfristigkeit der Grundstücksüberlassung. Maßgebend sei vielmehr, dass neben der Raumüberlassung weitere erhebliche und prägende Leistungen des Vermieters hinzuträten. Die Zurverfügungstellung der Küche sowie des Bestecks und des Geschirrs seien als Nebenleistungen zu der vertraglich vereinbarten Überlassung der Säle anzusehen. Sie wiesen keinen prägenden Leistungscharakter auf und seien aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers im Vergleich zur Grundstücksüberlassung nebensächlich.

Leitsatz

Sofern eine Dauer der Benutzung vereinbart und preisbildendes Merkmal ist, kann eine umsatzsteuerfreie Vermietung und Verpachtung von Grundstücken im Sinne des § 4 Nr. 12 a UStG auch bei einer kurzfristigen Nutzungsüberlassung vorliegen.

Nach Auffassung des Finanzgerichts habe das Finanzamt zu Recht den Abzug der auf die Errichtung und den Betrieb des Dorfgemeinschaftshauses entfallenden Umsatzsteuer versagt. Die Umsätze aus der Überlassung des Dorfgemeinschaftshauses seien nach § 4 Nr. 12a UStG steuerfrei, weshalb ein Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen sei. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH liege eine steuerfreie Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 a UStG vor, wenn dem Vertragspartner gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück in Besitz zu nehmen und andere von ihm auszuschließen. Nach dieser Maßgabe stelle sich die Überlassung des Dorfgemeinschaftshauses in den Streitjahren als eine Vermietung von Grundstücken dar. Den Mietern der Räumlichkeiten in dem Dorfgemeinschaftshaus werde – entsprechend der gesetzlichen Grundregel des § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB – das Recht eingeräumt, mit dem großen und/oder dem kleinen Saal sowie der Küche einen Teil des Grundstücks in Besitz zu nehmen und andere von dessen Nutzung auszuschließen. Unerheblich sei hierbei, dass sich die Mietverträge – sofern nicht beide Saalteile gemietet worden seien – lediglich auf einen Teil des Dorfgemeinschaftshauses bezogen habe. Auch könne die Frage dahinstehen, ob die Küche und die sanitären Anlagen gleichzeitig anderen Nutzern des jeweils anderen Saals zur Verfügung gestanden haben. Denn vertragliche Beschränkungen des an der Mietsache bestehenden Nutzungsrechts schließen nicht aus, dass es sich gegenüber allen anderen Personen, die nicht im Gesetz oder im Vertrag als Personen genannt sind, die ein Recht an der Sache, die Gegenstand des Mietvertrags ist, geltend machen können, um ein ausschließliches Nutzungsrecht handele.

Soweit die G neben der Überlassung von Räumlichkeiten auch Leistungen wie die Reinigung, die Beleuchtung sowie das Zurverfügungstellen von Stühlen, Tischen und Besteck erbracht habe, handele es sich hierbei um Nebenleistungen zu der vertraglich vereinbarten Überlassung des Dorfgemeinschaftshauses bzw. Teilen davon. Diese Leistungen seien im Vergleich zur Grundstücksüberlassung aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nebensächlich. Sie hängen eng mit der Grundstücksüberlassung zusammen, dienen üblicherweise der Inanspruchnahme der Räumlichkeiten und haben nur das Mittel dargestellt, um die Hauptleistung der Klägerin, die Überlassung des Dorfgemeinschaftshauses bzw. von Teilen davon, unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können. Hierfür spreche auch, dass – bis auf die in den Streitjahren nicht in Anspruch genommene Reinigungspauschale – diese Nebenleistungen der G – wie es sich für Strom, Wasser und Heizung ausdrücklich aus den Mietverträgen ergebe – ohne gesonderte vertragliche Vereinbarung und ohne gesondertes Entgelt in Anspruch genommen werden konnten.

Dies gelte auch, soweit den Mietern des kleinen und/oder des großen Saals – wozu sich keine Anhaltspunkte in den Mietverträgen finden – die Küche des Dorfgemeinschaftshauses zur Verfügung gestellt worden sein sollte. Es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass die Räumlichkeiten des Dorfgemeinschaftshauses gerade mit Blick auf die dort vorhandene Küche angemietet worden seien und mithin nicht die Veranstaltung in dem kleinen und/oder großen Saal als solche, sondern speziell die Bewirtung der Gäste mit in dem Dorfgemeinschaftshaus zubereitenden Speisen im Vordergrund gestanden habe. Dass die G die im Dorfgemeinschaftshaus vorhandenen Räumlichkeiten nur für jeweils einen Tag – und damit über einen kurzen Zeitraum – an ihre Mieter überließ, sei unerheblich. Das Merkmal der „nicht nur kurzfristigen Überlassung“ oder der „auf Dauer angelegten Vermietung“ diene lediglich zur Abgrenzung der gemäß nach § 4 Nr. 12 a UStG steuerfreien Vermietung von Grundstücken von der gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht steuerbefreiten Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithalte; für die Frage, ob dem Vertragspartner das Recht eingeräumt werde, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen, habe die Nutzungsdauer keine Bedeutung. Wären kurzfristige Vermietungen bereits nicht von dem Tatbestand des § 4 Nr. 12 a UStG erfasst, wäre die Beschränkung der Rückausnahme des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG auf kurzfristige Beherbergungen nicht erforderlich. Die G habe nicht wirksam auf die Steuerbefreiung verzichten können. Zwar könne der Unternehmer nach § 9 Abs. 1 UStG einen Umsatz, der nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Jedoch seien die Räumlichkeiten des Dorfgemeinschaftshauses an Privatpersonen für nichtunternehmerische Zwecke überlassen worden. Dies gelte auch, soweit es dem Musikverein nach § 1 Nr. 3 des Mietvertrags gestattet gewesen sei, während und nach den Proben Getränke zu verkaufen. Da es sich lediglich um einen Verkauf bei Proben gehandelt habe und diese ausweislich von § 1 Nr. 1 des Mietvertrags nur gelegentlich stattgefunden habe, sei davon auszugehen, dass der Musikverein mit dem Getränkeverkauf die Wertgrenzen des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG in den Streitjahren nicht überschritten habe und Umsatzsteuer daher nicht zu erheben gewesen sei.

Anmerkung

Das Urteil des FG Rheinland-Pfalz betrifft einen in der Praxis häufig auftretenden Fall der Vermietung von kommunalen Veranstaltungsräumen an Privatpersonen und Vereine. Bei der Überlassung derartiger Räumlichkeiten mit Betriebsvorrichtungen ist wie folgt zu unterscheiden:

1. Umfasst die Nutzungsüberlassung von Räumen auch die Nutzung vorhandener Betriebs-vorrichtungen (z.B. Bestuhlung, Bühne, spezielle Beleuchtungs- und Lautsprecheranlagen), auf die es einem Veranstalter (Nutzer) bei der vorgesehenen Art der Nutzung nicht ankommt, weil er in erster Linie die Räumlichkeiten als solche nutzen will, ist die Leistung als insgesamt steuerfreie Grundstücküberlassung anzusehen. Die Überlassung der vorhandenen Betriebsvorrichtungen bleibt dann umsatzsteuerrechtlich unberücksichtigt (Abschn. 4.12.11 Abs 4 Satz 3 Nr. 1 UStAE).

2. Überlässt ein Anlagenbetreiber Veranstaltungsräume mit Betriebsvorrichtungen (z.B. Bestuhlung, Bühne, spezielle Beleuchtungs- und Lautsprecheranlagen), die für die vorgesehene Art der Nutzung regelmäßig benötigt werden (auf die es also einem Nutzer bei der vorgesehenen Art der Nutzung ankommt), ist die Leistung des Anlagenbetreibers in aller Regel in eine steuerfreie Grundstücksvermietung und in eine steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen (sog. gemischter Vertrag; Abschn. 4.12.11 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 Satz 1 und Satz 3 „Beispiel“ UStAE).

3. In diesen Fällen ist jedoch dann ein einheitlicher steuerpflichtiger Vertrag (Vertrag besonderer Art) dann anzunehmen, wenn ein Durchschnittsverbraucher die komplette Leistung als solche ansieht und die Grundstücksvermietung gegenüber anderen Leistungen derart in den Hintergrund tritt, dass die Raumüberlassung aus seiner Sicht keinen leistungsbestimmenden Bestandteil mehr ausmacht (Abschn. 4.12.11 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 Satz 2 UStAE).

Dies ist z.B. dann der Fall, wenn mit dem Endverbraucher ein Leistungsbündel vereinbart wird, dass neben der reinen i.d.R. kurzfristigen Grundstücksüberlassung weitere erhebliche und prägende Leistungen des Vermieters (jPdöR) beinhaltet. Hierzu gehören z.B. die

a. Gestellung von Personal für den Einsatz der Betriebsvorrichtungen(z.B. die Beleuchtungs- und Tonanlage),

b. Gestellung von Personal für die Einlasskontrolle,

c. Gestellung von Personal für die Garderobe,

d. Speise- und Getränkeversorgung.

Rechtsprechung zur Überlassung von kommunalen Veranstaltungsräumen

1. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.5.2010, EFG 2010 S. 1456: Annahme eines Vertrags besonderer Art bei der Überlassung eines Bürgersaals (Nichtzulassungsbeschwerde abgewiesen durch BFH, Beschluss vom 25.2.2011, BFH/NV 2011 S. 1033).

2. FG München, Urteil vom 23.10.2012, EFG 2013 S. 247: Annahme einer insgesamt steuerfreien Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12a UStG (auch hinsichtlich der Betriebsvorrichtungen) bei der Überlassung einer Stadthalle (die gegen das Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BFH mit Beschluss vom 12.10.2013 als unbegründet zurückgewiesen).

Aktuelles aus der Finanzverwaltung

Verbindliche Auskünfte zu § 2 b UStG

BMF, Schreiben an die kommunalen Spitzenverbände vom 3.4.2020, III C 2 – S 7107/19/10009 :003

Die kommunalen Spitzenverbände haben bei der Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften die zeitlich beschränkte Einführung einer umsatzsteuerlichen Anrufungsauskunft für juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) für Abgrenzungsfragen zum § 2 b Umsatzsteuergesetz (UStG) vorgeschlagen.

Hierzu nimmt das BMF im Schreiben vom 3.4.2020 wie folgt Stellung:

„Nach Erörterung auf Bund-Länder-Ebene wurde beschlossen, den Vorschlag einer zeitlich beschränkten Anrufungsauskunft für jPdöR nicht weiter zu verfolgen. Jedoch wird nach Erörterung auf Bund-Länder-Ebene im Hinblick auf die Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) auf Folgendes hingewiesen: Die Erteilung verbindlicher Auskünfte zur Anwendung und Auslegung des § 2 b UStG durch die Finanzämter ist unter den in § 89 Abs. 2 AO, der Steuer-Auskunftsverordnung (StAuskV) und dem Anwendungserlass zu § 89 AO (AEAO zu § 89) genannten Voraussetzungen möglich. Ein „ernsthaft geplanter und noch nicht verwirklichter Sachverhalt“ im Sinne des § 89 Abs. 2 Satz 1 AO liegt auch dann vor, wenn ein Dauersachverhalt aufgrund einer grundlegenden Gesetzesänderung nur dann unverändert fortgeführt werden soll, wenn keine wesentlichen negativen Steuerfolgen eintreten. Darüber hinaus ist schlüssig darzulegen, dass eine Sachverhaltsveränderung für die Zukunft möglich wäre. Verbindliche Auskünfte durch die Finanzämter werden aber grundsätzlich nicht erteilt, wenn zu einer grundlegend geänderten Rechtslage in absehbarer Zeit eine Verwaltungsanweisung zu erwarten ist (vgl. Nr. 3.5.4 Satz 2 des AEAO zu § 89).“

Darüber hinaus hat sich das BMF im Schreiben vom 3.4.2020 zu Fragen in Zusammenhang mit der Wettbewerbsprüfung bei Bestehen eines Anschluss- und Benutzungszwangs bzw. eines Annahmezwangs wie folgt geäußert:

„Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass für eine Anwendung des § 2 b Abs. 3 Nr. 1 UStG die gesetzlichen Grundlagen so gefasst sein müssen, dass die von einer jPdöR benötigte Leistung ausschließlich von einer anderen jPdöR erbracht werden darf (siehe dazu Rz. 41 des BMF-Schreibens vom 16. Dezember 2016, BStBl 2016 I S. 1451). Nicht ausreichend ist z.B. die gesetzliche Regelung eines allgemein gehaltenen Kooperationsgebots, das im Nachgang durch untergesetzliche Vereinbarungen oder die tatsächliche Verwaltungspraxis ausgefüllt wird. Darf aufgrund gesetzlicher Bestimmungen als Anbieter und damit Erbringer der Leistung ausschließlich eine jPdöR auftreten, sind Wettbewerbsverzerrungen ausgeschlossen. Allerdings ist zu beachten, dass auch bei einem gegebenen öffentlich-rechtlichen Handlungsrahmen die privatrechtliche Ausgestaltung der Leistung, z. B. in Form der Erhebung privatrechtlicher Entgelte, dazu führt, dass kein Handeln im Rahmen der öffentlichen Gewalt im Sinne des § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG vorliegt.“

Anmerkung

Der Hinweis im BMF-Schreiben vom 3.4.2020, dass ein „ernsthaft geplanter und noch nicht verwirklichter Sachverhalt“ im Sinne des § 89 Abs. 2 Satz 1 AO auch vorliege, wenn ein Dauersachverhalt aufgrund einer grundlegenden Gesetzesänderung nur dann fortgeführt werden soll, wenn keine wesentlichen negativen Steuerfolgen eintreten, dürfte mE u.a. auch folgenden Fall betreffen: Ein schon länger bestehender Datenverarbeitungszweckverband erbringt gegenüber seinen Mitgliedskommunen Dienstleistungen gegen Entgelt. Nach der bisherigen Rechtslage handelte es sich mangels Vorliegens eines BgA (hoheitliche Beistandsleistung) um eine nichtunternehmerische Tätigkeit des Zweckverbandes. Eine verbindliche Auskunft zur umsatzsteuerlichen Behandlung der an die Mitgliedskommunen erbrachten Dienstleistungen des Zweckverbandes unter Geltung des § 2 b UStG war nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung nicht möglich, weil es sich danach um einen schon verwirklichten Sachverhalt handelt. Mit der im Schreiben vom 3.4.2020 gewählten Formulierung ist es m.E. nun möglich, eine verbindliche Auskunft zur Frage der zukünftigen umsatzsteuerlichen Behandlung der Dienstleistungen des Zweckverbandes unter Geltung des § 2.b UStG zu stellen und zu erteilen, wenn dargelegt wird, dass die Datenverarbeitung durch den Zweckverband in der bisherigen Form nur dann fortgeführt werden soll, wenn keine wesentlichen negativen Steuerfolgen (z.B. die Steuerbarkeit der Dienstleistungen) eintreten. In diesen Fällen müsste nach der Vorgabe im BMF-Schreiben schlüssig vorgetragen werden, dass bei negativen Steuerfolgen einer Fortführung des Zweckverbandes eine Sachverhaltsänderung – z.B. durch Auflösung des Zweckverbandes und eine Datenverarbeitung durch die Mitgliedskommune selbst oder auch durch Schaffung von Organschaftsverhältnissen – für die Zukunft möglich wäre. In ähnlich gelagerten Fällen (z.B. Dienstleistungen einer schon bestehenden Anstalt des öffentlichen Rechts an ihre Trägerkommune) dürfte im Hinblick auf die Erteilung einer verbindlichen Auskunft dasselbe gelten, wie oben dargestellt.

Körperschaftsteuerliche und umsatzsteuerliche Behandlung der Abgabe von Zytostatika durch Krankenhausapotheke

OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung vom 13.1.2020, Deutsches Steuerrecht 2020 S. 725

Die OFD Nordrhein-Westfalen teilt in ihrem Schreiben vom 13.1.2020 u.a. folgendes mit:

„Körperschaftsteuer … Der BFH hat mit Urteil v. 6.6.2019 – V R 39/17, DStRE 2019, 1077 entschieden, dass es für die Zurechnung von Behandlungsleistungen mit Abgabe von Zytostatika zum Zweckbetrieb Krankenhaus nicht erforderlich sei, dass die Behandlung von Patienten des Krankenhauses durch einen ermächtigten Arzt als Dienstaufgabe innerhalb einer nichtselbständigen Tätigkeit erbracht wird. Da das Urteil im BStBl. II 2019, 651 veröffentlicht wurde, sind diese Grundsätze unabhängig vom aktuellen Wortlaut der AEAO („Für die Zurechnung der Behandlungsleistungen zum Zweckbetrieb Krankenhaus ist es unbeachtlich, wenn die Behandlung von Patienten des Krankenhauses durch einen ermächtigten Arzt als Dienstaufgabe innerhalb einer nichtselbständigen Tätigkeit [Einkünfte nach § 19 EStG] erbracht werden.“) anzuwenden“.

Im Hinblick auf die umsatzsteuerliche Behandlung der Abgabe von Zytostatika durch eine Krankenhausapotheke äußert sich die OFD Nordrhein-Westfalen in ihrem Schreiben vom 13.1.2020 wie folgt:

„… Umsatzsteuer Auf Grundlage des EuGH-Urteils v. 13.3.2014 – C-366/12, DStR 2014, 587 hat der BFH mit Urteil v. 24.9.2014 – V R 19/11, DStR 2014, 2505 entschieden, dass die im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung erfolgende Verabreichung von Zytostatika, die dort individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke dieses Krankenhauses hergestellt werden, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG [Vorgängerregelung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, der Verfasser] steuerfrei ist (entgegen Abschn. 100 Abs. 3 Nr. 4 UStR und Abschn. 4.14.6 Abs. 3 Nr. 3 UStAE). Mit dem BMF-Schreiben vom 28.9.2016 (BStBl. I 2016, 1043, DStR 2016, 2343) wurde das BFH-Urteil vom 24.9.2014 – V R 19/11 amtlich veröffentlicht, Abschn. 4.14.6 UStAE geändert und sich zum sachlichen sowie zeitlichen Anwendungsbereich und den Folgen der Steuerbefreiung geäußert.“

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