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Newsletter Besteuerung der öffentlichen Hand 02/2019

Von Professor Thomas Maier, Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

Rechtsanwalt/Steuerberater

Nr. 02/2019 (Januar 2019)

Aktuelles aus der Verwaltung

Auslegungsfragen zu § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG bei Betrieben gewerblicher Art (BgA) als Schuldner der Kapitalerträge

BMF, Schreiben vom 28.1.2019 www.bundesfinanzministerium.de

Das BMF hat in seinem umfangreichen Schreiben vom 28.1.2019 zu Auslegungsfragen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG Stellung genommen, soweit BgA Schuldner der in der Vorschrift genannten Kapitalerträge sind.

Das BMF erläutert ausführlich die sich ergebenden Rechtsfolgen bei Leistungen eines BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 a EStG) und bei Gewinnen von BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 b Satz 1 bis 3 und 5 EStG).

Die Auslegungsfragen betreffen u.a. folgende Punkte:

  • Handelsrechtlicher Gewinn des BgA als Grundlage der Kapitalertragsteuerpflicht
  • Voraussetzungen der Rücklagenbildung bei Eigen- und Regiebetrieben
  • Kapitalertragsteuer bei Beteiligung an Personengesellschaft
  • Ermittlung und Verwendung des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 KStG)
  • Entstehung der Kapitalertragsteuer
  • Durchführung des Besteuerungsverfahrens

Das BMF-Schreiben vom 28.1.2019 ersetzt u.a. das BMF-Schreiben vom 9.1.2015 (BStBl. 2015 I S. 111). Inhaltlich wurden vom BMF neben redaktionellen Änderungen (Verweise auf die seit dem BMF-Schreiben vom 9.1.2015 geänderten Körperschaftsteuerrichtlinien und -hinweise 2015) lediglich zwei Randnummern (Rdnr.) neu gefasst. Ansonsten ist das BMF-Schreiben vom 28.1.2019 identisch mit dem BMF-Schreiben vom 9.1.2015. Die genannten Änderungen betreffen die Rdnr. 35 (Rücklagenbildung bei Regiebetrieben) und die Rdnr. 66 (keine kapitalertragsteuerpflichtige Auflösung von Gewinnrücklagen aus dem Jahr 2001).

Da die Änderungen in der Rdnr. 35 erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche Praxis haben, wird nachfolgend auszugsweise der Wortlaut der alten und neuen Version dargestellt:

 Auszug aus alter Rdnr. 35

 

Auszug aus neuer Rdnr. 35

(geänderter Text = fett)

Über die Rücklagenbildung kann die Trägerkörperschaft unmittelbar verfügen. Für eine Rücklagenbildung ist damit kommunalrechtlich kein Raum. Gleichwohl ist bei einem Regiebetrieb für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG die Rücklagenbildung anzuerkennen, soweit die Zwecke des BgA ohne die Rücklagenbildung nachhaltig nicht erfüllt werden können. Das Bestreben, ganz allgemein die Leistungsfähigkeit des BgA zu erhalten, reicht für eine anzuerkennende Rücklagenbildung nicht aus. Vielmehr müssen die Mittel für bestimmte Vorhaben – z.B. Anschaffung von Anlagevermögen – angesammelt werden, für deren Durchführung bereits konkrete Zeitvorstellungen bestehen. Besteht noch keine konkreten Zeitvorstellung, ist eine Rücklagenbildung zulässig, wenn die Durchführung des Vorhabens glaubhaft und finanziell in einem angemessenen Zeitraum möglich ist.

 

Über die Rücklagenbildung kann die Trägerkörperschaft unmittelbar verfügen. Für eine Rücklagenbildung ist damit kommunalrechtlich kein Raum. Gleichwohl ist bei einem Regiebetrieb für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG die Rücklagenbildung anzuerkennen, soweit anhand objektiver Umstände nachvollzogen und überprüft werden kann, dass der handelsrechtliche Gewinn durch Stehenlassen dem Regiebetrieb als Eigenkapital zur Verfügung stehen soll (vgl. BFH-Urteile vom 30.1.2018). Als objektiver Umstand wird insbesondere der förmliche Beschluss der zuständigen Gremien der Trägerkörperschaft anerkannt, der spätestens acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres des BgA gefasst sein muss. Für die Rücklagenzuführung durch Stehenlassen gilt Rdnr. 34 Satz 2 entsprechend. Vorstehende Grund-sätze gelten entsprechend auch für die in Rdnr. 18 aufgeführten BgA.

Mit der Änderung der Rdnr. 35 im BMF-Schreiben vom 29.1.2019 und der gleichzeitigen Veröffentlichung der BFH-Urteile vom 30.1.2019 – (VIII R 42/15 und VIII R 15/16) im Bundessteuerblatt schließt sich die Finanzverwaltung der vom BFH vertretenen Auffassung zu den Voraussetzungen für die Rücklagenbildung bei einem Regiebetrieb an.

Die noch im BMF-Schreiben vom 9.1.2015 in Rdnr. 35 vertretene (strengere) Auffassung der Finanzverwaltung zur Rücklagenbildung bei Regiebetrieben (Mittelverwendung für bestimmte Vorhaben, konkrete Zeitvorstellungen bzw. Durchführung in einem angemessenen Zeitraum) wurden vom BFH verworfen. Nach seiner Auffassung genügt für die Rücklagenbildung bei einem Regiebetrieb jedes „Stehenlassen“ von Gewinnen als Eigenkapital (unabhängig davon, ob dies in der Form der Zuführung zu den Gewinnrücklagen, als Gewinnvortrag oder unter einer anderen Position des Eigenkapitals vorgenommen wird – vgl. Rdnr. 34 des BMF-Schreibens vom 28.1.2019), soweit anhand objektiver Umstände – z.B. durch einen förmlichen Beschluss der zuständigen Gremien der Trägerkörperschaft, der spätestens acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres des BgA gefasst wurde – nachvollzogen und überprüft werden kann, dass dem Regiebetrieb die entsprechenden Mittel weiterhin als Eigenkapital zur Verfügung stehen sollen.

Die neuen im BMF-Schreiben dargestellten Grundsätze zur Rücklagenbildung sollen auch für Regiebetriebe gelten, die nicht bilanzieren, aber die Umsatzgrenze (350.000 €) bzw. die Gewinngrenze (30.000 €) des § 20 Abs. 1 Nr. 10 b EStG überschreiten (siehe Hinweis in Rdnr. 35 auf Rdnr. 18). Fraglich dürfte jedoch sein, wie ein derartige BgA seinen Gewinn „stehen lassen“ kann, ohne dass er bilanziert (möglicherweise in einer außerhalb der Gewinnermittlung geführten Dokumentation).