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Newsletter Besteuerung der öffentlichen Hand 01/2021

Von Professor Thomas Maier, Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

Rechtsanwalt/Steuerberater

Nr. 01/2021

Aktuelle Urteile

Verpachtung eines Hallenbades durch eine jPdöR als Verpachtungs-BgA, wenn Zuschüsse der jPdöR höher sind als das Pachtentgelt

Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.12.2019 -I R 58/17 (www.bundesfinanzhof.de)

Sachverhalt:

Die Stadt S betrieb bis zum 30.09.2007 im Rahmen eines BgA ein städtisches Freizeitzentrum, bestehend aus einem Hallenbad, einer Sauna und einer Bowlingbahn. Ab dem 01.10.2007 verpachtete die S das Hallenbad mit sämtlichem Inventar für drei Jahre an die B-GmbH, deren Gesellschafter natürliche Personen sind. Die B-GmbH verpflichtete sich, die gepachtete Einrichtung für öffentliche Zwecke zu betreiben. Die Nutzung durch Schulen und Vereine war sicherzustellen; im Übrigen unterlag der Badebetrieb der freien Gestaltung der Pächterin. Die Pächterin verpflichtete sich ferner zur Zahlung einer Pacht i.H.v. jährlich 5.000 € zzgl. Umsatzsteuer; außerdem oblagen ihr erforderliche Ausbesserungen und Reparaturen der Pachtsache bis zu einer Höhe von jährlich 12.000 €. Die Stadt S als Verpächterin verpflichtete sich ihrerseits, der B-GmbH in monatlichen Raten einen fortlaufenden Betriebskosten-zuschuss zu zahlen, der sich im ersten Vertragsjahr auf 310.000 €, im zweiten Vertragsjahr auf 256.760 € und im dritten Vertragsjahr auf 236.760 € belief. Zu den vom Betriebskostenzuschuss zu deckenden Kosten gehörten auch die Pacht sowie die Aufwendungen für Ausbesserungen und Reparaturen.

Für den anschließenden Zeitraum (01.10.2010 bis 30.09.2013) schlossen S und die B-GmbH einen im Wesentlichen inhaltsgleichen Pachtvertrag, der sich bei ausbleibender Kündigung um jeweils zwei weitere Jahre verlängerte. Die jährlich zu zahlende Pacht betrug weiterhin 5.000 €, der Betriebskostenzuschuss wurde mit jährlich 256.760 € vereinbart.

Die B-GmbH erwirtschaftete aus dem Betrieb des Hallenbades jährlich Einnahmen (ohne Betriebskostenzuschuss) zwischen 36.361 € und 59.197 €.

In der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2008 erklärte die S aus der Verpachtung des Hallenbades einen Verlust aus einem „Verpachtungs-BgA“ i.H.v. 398.989 €. Das Finanzamt veranlagte die Stadt S zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) und setzte im Körperschaftsteuerbescheid 2008 die Körperschaftsteuer mit 0 fest. Ferner stellte das Finanzamt den verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2008 (unter Berücksichtigung vorgetragener Verluste aus 2007) auf 479.389 € fest. Diese Bescheide hob das Finanzamt später wieder auf und lehnte gleichzeitig eine Veranlagung der S zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2009, 2010, 2011 sowie 2012 ab. Es vertrat nunmehr die Auffassung, die Verpachtung des Hallenbades durch die S sei angesichts des geringen Pachtentgelts bei gleichzeitigen höheren Betriebskostenzuschüssen unentgeltlich erfolgt; aus diesem Grund liege ein Verpachtungs-BgA der S nicht vor.

Gegen die die Veranlagung ablehnenden Bescheide hinsichtlich der Jahre 2008 bis 2012 sowie gegen die Nichtfeststellung des Verlustvortrags zum 31.12.2008 erhob die S Einspruch und nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg. Sie ist der Auffassung, die Verpachtung des Hallenbades erfolge im Streitfall entgeltlich, weshalb bei ihr ein Verpachtungs-BgA vorliege. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg gab der Klage der Stadt S mit Urteil vom 13.07.2017 (EFG 2018 S.56) statt.

Leitsätze:

1. Der Begriff der „Verpachtung“ in § 4 Abs. 4 KStG setzt eine entgeltliche Überlassung von Einrichtungen, Anlagen oder Rechten voraus.

2. Die Verpachtung eines Hallenbades durch eine jPdöR an eine GmbH unter Gewährung eines die Pachtzahlungen übersteigenden Betriebskostenzuschusses stellt keine entgeltliche Überlassung der Einrichtung und damit keinen Verpachtungs-BgA dar, wenn sich die Höhe des Zuschusses nach einer am Jahresende vorzunehmenden Abrechnung richtet, in die u.a. auch die Pachtzahlungen als durch den Bäderbetrieb verursachten Aufwand einfließen.

Nach Auffassung des BFH führe die Verpachtung des Hallenbades im Streitfall – entgegen der Auffassung der Vorinstanz – nicht dazu, dass ein sog. Verpachtungs-BgA anzunehmen wäre.

Zu Unrecht sei die Vorinstanz davon ausgegangen, dass im Streitfall eine entgeltliche Überlassung des Hallenbadbetriebs vorliege und die Gewährung eines fest und im Voraus vereinbarten monatlichen Betriebskostenzuschusses nicht mit dem jährlich zu zahlenden Pachtentgelt saldiert werden könne.

Soweit die Vorinstanz zu der rechtlichen Würdigung gelange, dass im Streitfall eine gegenseitige Abhängigkeit der Zahlungen nicht erkennbar sei, weil die Zahlungen der Pacht und des Zuschusses zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig gewesen seien und nach dem Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung das Pachtentgelt unveränderlich mit jährlich 5.000 € vereinbart worden sei, während der Betriebskostenzuschuss hiervon unabhängig einer Erhöhung unterlegen habe, halte dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung der Gegebenheiten könne es weder eine Rolle spielen, dass das Pachtentgelt ausdrücklich vertraglich vereinbart worden sei, die Höhe der Pachtzahlungen nicht ausdrücklich von den monatlich zu zahlenden Betriebskostenzuschüssen abhängig gemacht worden sei oder der tatsächliche Zahlungszeitpunkt des Pachtentgelts zeitlich von dem Zahlungszeitpunkt für den Betriebskostenzuschuss abweiche. Entscheidend sei bei einer an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierten Betrachtung, dass sich die Höhe des Betriebskostenzuschusses am Aufwand des Hallenbadbetriebs orientiert und damit im Ergebnis auch an den geleisteten Pachtzahlungen. Damit trage im Ergebnis die wirtschaftliche Last der Pachtzahlungen nicht die Pächterin, sondern die Stadt S selbst.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sieht der BFH darin auch keine mit dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 KStG nicht zu vereinbarende Ungleichbehandlung von Verpachtungs-BgA auf der einen Seite und solchen BgA auf der anderen Seite, die von der jPdöR selbst betrieben werden. Der Fiktion des § 4 Abs. 4 KStG könne nicht die Intention des Gesetzgebers entnommen werden, im Falle der Überlassung des BgA an einen Dritten solle die Trägerkörperschaft steuerlich so behandelt werden, als würde sie den BgA weiterhin selbst betreiben. Steuerobjekt des BgA "Verpachtung" i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG sei der Ertrag aus dem Pachtverhältnis, nicht aber der Ertrag des verpachteten Betriebs.

Im Übrigen weist der BFH darauf hin, dass die Hinnahme strukturell bedingter Verluste durch einen BgA "Verpachtung" als vGA an die Trägerkörperschaft i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu werten wäre, wenn nicht die Voraussetzungen eines Dauerverlustgeschäfts i.S.d. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 7 Satz 2 KStG vorlägen, d.h. das Geschäft aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen ohne kostendeckendes Entgelt betrieben werde. Ein defizitäres Verpachtungsgeschäft als solches werde diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllen können (vgl. zur Verpachtung eines Freibads durch eine kommunale Eigengesellschaft: BFH, Urteil vom 09.11.2016, I R 56/15, BStBl. 2017 II S. 498).

Anmerkungen

1. Nach Auffassung des BFH sei ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG nur dann gegeben, wenn eine entgeltliche Überlassung von Einrichtungen, Anlagen oder Rechten erfolgt. Von einer Unentgeltlichkeit sei auszugehen, wenn sich die Höhe des (die Pachtzahlungen übersteigenden) Zuschusses nach einer am Jahresende vorzunehmenden Abrechnung richtet, in die u.a. auch die Pachtzahlungen als durch den Betrieb der verpachteten Einrichtung verursachten Aufwand einfließt. In diesen Fällen – so der BFH – trage bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht der Pächter, sondern der Verpächter (jPdöR) die wirtschaftliche Last des vereinbarten Pachtzinses. Fließen die Pachtzahlungen jedoch nicht in die Höhe des zu zahlenden Zuschusses ein, liegt m.E. eine entgeltliche Verpachtung und somit ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG vor, und zwar auch dann, wenn der gewährte Zuschuss höher ist als die Pachtzahlungen. Ein derartiger Fall dürfte gegeben sein, wenn es sich um einen fest vereinbarten Zuschuss handelt, der unabhängig von den tatsächlichen Betriebsaufwendungen des Pächters bezahlt wird. Liegt eine entgeltliche Verpachtung und somit ein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG vor (siehe vorheriger Absatz) und erzielt der Verpachtungs-BgA – was wohl die Regel sein wird – dauerhaft Verluste, ist zu beachten, dass diese Verluste nach Auffassung des BFH nicht nach § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 7 Satz 2 KStG steuerbegünstigt sind (siehe hierzu die Ausführungen des BFH in Rdn. 14 des oben dargestellten Urteils vom 10.12.2019). Dies führt zur Annahme einer vGA.

2. Liegt bei der Überlassung von Einrichtungen (z.B. von Bädern) mangels Entgeltlichkeit kein Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG vor und wurde die Einrichtung (z.B. ein Bad) zuvor selbst im Rahmen eines BgA i.S.d. § 4 Abs. 1 KStG betrieben, führt die nachfolgende Überlassung bzw. das Nichtvorliegen eines nachfolgenden Verpachtungs-BgA i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG zur Betriebsaufgabe des bis zur Überlassung selbstbetriebenen BgA mit der Folge, dass eventuell vorhandene stille Reserven aufzudecken und zu versteuern sind.

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