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Palästina-Komitee e.V. erhält Zugang zur Website „stuttgart.de“
VG Stuttgart hält Israel-Feindlichkeit nicht für relevanten Ablehnungsgrund

Mit Urteil vom 22. April 2022 (Az.: 7 K 3169/21) hat das Verwaltungsgericht Stuttgart entschieden, dass das Stuttgarter Palästina-Komitee e.V. Veranstaltungen auf der Website der Stadt Stuttgart ankündigen darf. Ein entsprechendes Verbot sei wegen Verstoßes gegen das Recht auf Meinungsfreiheit verfassungswidrig.

Im Jahre 2005 gab es einen Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft, die zu Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen (kurz: BDS) gegen Israel aufgerufen hatte, bis Israel internationalem Recht und dem universellen Recht der Menschenrechte nachkomme. Eine darauf begründete BDS-Bewegung setzt sich seitdem für einen Israel-Boykott ein, um Israel zum Rückzug aus den Gebieten der Palästinenser zu zwingen.

Der Verein Stuttgarter Palästina Komitee schloss sich dieser BDS-Kampagne an und setzte sich für die Rechte der Palästinenser ein. Viele Jahre war der Verein als örtliche Initiative auf der städtischen Website gelistet und durfte seine Veranstaltungen dort ankündigen, bis ihm die Stadt Stuttgart 2019 den Zugang entzog, mit der Begründung, die BDS-Kampagne sei antiisraelisch und antisemitisch.

Gegen dieses Verbot nahm der Verein gerichtliche Hilfe in Anspruch und begehrte mit seiner Klage die Aufnahme seiner Kontaktdaten auf die Website der Stadt Stuttgart.

Das Verwaltungsgericht gab dem Verein Recht und bejahte einen Anspruch auf Zugang zur städtischen Internetseite aus § 10 der Gemeindeordnung.

Das Verbot der Stadt Stuttgart, die Termine des Palästina Komitees anzukündigen, sei ein grundrechtswidriger Verstoß gegen freie Meinungsäußerung. Nach Auffassung der Richter sei durch die Unterstützung des Komitees für die BDS-Kampagne die Grenze, die einen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit rechtfertige, ersichtlich noch nicht erreicht. Es bestünden keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die im Bundesgebiet entfalteten Aktivitäten der auf den Staat Israel zielenden Boykottbewegungen auch eine die Friedlichkeitsgrenze überschreitende gezielte Stimmungsmache gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland oder gar ein Aufstacheln zum Hass gegen diese Personengruppe umfassen könnten.

Nach Einschätzung des Gerichts hätten die Meinungsäußerungen die rein geistige Sphäre des Für-Richtig-Haltens noch nicht verlassen und seien noch nicht in Rechtsgutsverletzungen oder Gefährdungslagen umgeschlagen. Irrelevant sei, ob die BDS-Kampagne antiisraelisch oder antisemitisch sei, weil auch entsprechende Auffassungen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien.

Tatjana Wellenreuther, Richard Boorberg Verlag