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Sozialversicherungspflicht für einzelbeauftragte Altenpflegerin
Bundessozialgericht revidiert Bewertung der Vorinstanzen

Mit Urteil vom 19. Oktober 2021 (Az.: B 12 R 6/20 R) hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel eine in der Intensivpflege eingestellte Altenpflegerin als abhängige Beschäftigte angesehen. Zu diesem Ergebnis kam das Gericht, obgleich die Übernahme einzelner Dienste mit dem Pflegedienstunternehmen jeweils frei vereinbart worden war.

Die Klägerin bot einem Pflegedienstunternehmen als Altenpflegerin ihre „Kapazitäten“ an. Daraufhin schlossen beide als Grundlage für die Übernahme jeweiliger Einzeldienste durch die Klägerin einen Vertrag. Die Klägerin erhielt einen Stundenlohn von 25 Euro und wurde nach jeweiliger Beauftragung in den vom Pflegedienst aufgestellten Dienstplan aufgenommen.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewertete die Tätigkeit der Klägerin als rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Gegen einen entsprechenden Bescheid nahm die Altenpflegerin gerichtlich Hilfe in Anspruch. Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht teilten die Auffassung der Altenpflegerin, wonach sie keine Arbeitnehmerin sei.

Auf die Revision der Deutschen Rentenversicherung hat das BSG entschieden, dass die Altenpflegerin abhängig Beschäftigte sei.

Die Altenpflegerin sei mit ihrer Tätigkeit in die Arbeitsorganisation und die Weisungsstruktur des Pflegedienstes eingegliedert gewesen. Auch wenn die Übernahme einzelner Dienste zwischen der Altenpflegerin und dem Pflegedienstunternehmen frei vereinbart gewesen sei, so sei die vorliegende Dienstleistung dennoch fremdbestimmt. Daher stelle sich dies bei Betrachtung des Einzelfalles als „funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess“ dar, so das BSG. Der Altenpflegerin sei jeweils ein bestimmter Patient in dessen Wohnung zugewiesen worden. Zudem sei die Klägerin in die Arbeitsabläufe des Pflegedienstes gerade über den Dienstplan eingebunden gewesen, der sie in bestimmte Schichten eingeteilt habe. Diese Einbindung der Klägerin als Teil einer Kette von Pflegepersonen mache sie zur Arbeitnehmerin des Pflegedienstunternehmens. Für ihre Tätigkeit bestehe somit Sozialversicherungspflicht, so das BSG abschließend.

Nicht nur das Urteil des BSG, sondern auch eine neuere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 5 AZR 505/20), wonach bei einer 24-Stunden-Pflege im häuslichen Bereich auch Bereitschaftszeiten als Arbeitszeiten gelten, in denen Mindestlohn zu bezahlen und nur eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden erlaubt ist, zeigen, dass gesetzgeberischer und politischer Handlungsbedarf besteht. Die immer mehr nachgefragte 24-Stunden-Betreuung bedarf eines gesetzlichen Rahmens zu geben, wie es auch Arbeitsrecht-Professor Dr. Gregor Thüsing in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.Oktober 2021) ausführte.

Tatjana Wellenreuther, Richard Boorberg Verlag