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Bewohner einer Erstaufnahmeeinrichtung wehren sich gegen Hausordnung

Bewohner einer baden-württembergischen Landeserstaufnahmeeinrichtung sahen sich durch die dort geltende Hausordnung in ihren Grundrechten beeinträchtigt. Die Bewohner, die aus dem Senegal und Ghana stammen, wehrten sich gegen diese Hausordnung mit einem im Frühjahr 2021 eingereichten Eilantrag (gem. § 47 Abs. 6 VwGO) und einem im Dezember 2020 gestellten Normenkontrollantrag.

Die in der ehemaligen Polizeiakademie in der Lörracher Straße in Freiburg untergebrachten Antragsteller rügen eine unzureichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Zudem machen sie geltend, dass die Regelungen sie in ihren Grundrechten verletzten. Konkret haben sie in ihrem Antrag das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG), das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), die Religions- (Art. 4 GG) und Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) benannt.

VGH prüft Rechtmäßigkeit

Der Fall birgt einige interessante Ansatzpunkte: So war zu klären, worum es sich bei der Hausordnung, die auf einer Musterhausordnung für das Land Baden-Württemberg basiert, rechtlich handelt. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim erkannte nur in den Regelungen über Kontrollen bei Zutritt, auf dem Gelände und in den Zimmern der Bewohner sowie die Übertragung von Kontrollaufgaben auf private Dienstleister abstrakt-generelle Regelungen. Nur diese konnten damit Gegenstand eines Normenkontrollantrags sein. Bei den weiteren angegriffenen Bestimmungen handele es sich nicht um Rechtsvorschriften (gem. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), sodass der Eilantrag insoweit bereits unzulässig war.

Die Richter hielten den Antrag auch für unbegründet. Im Hinblick auf die allgemein formulierte Vorschrift in § 6 Abs. 3 Satz 2 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes, die als Ermächtigungsgrundlage für die Regelung, dass Zimmer auch ohne Einverständnis der Bewohner betreten werden dürften, dient, sei indes offen, ob es hier nicht doch einer speziellen gesetzlichen Grundlage bedürfe.

Ungeachtet dessen wurde die Hausordnung insoweit nicht außer Kraft gesetzt, da sie – es handelt sich um ein Eilverfahren – nach Einschätzung des Gerichts voraussichtlich weitestgehend verhältnismäßig ausgestaltet sei. Der erhöhte Bedarf an Schutz und Sicherheit bei der vorübergehenden Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung könne mit Beschränkungen der grundrechtlich geschützten Privatsphäre der Bewohner einhergehen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Einschätzung in der Hauptsache (Az. 12 S 4089/20) aufrecht erhalten bleibt.

Marcus Preu, Richard Boorberg Verlag