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Ellwangen-Urteil: Polizeiliche Maßnahmen in Erstaufnahmeeinrichtung waren zum Teil rechtswidrig

In einem vielbeachteten Urteil hatte das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart im Februar den Polizeieinsatz gegen einen Flüchtling aus Kamerun in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen im Mai 2018 für teilweise rechtswidrig erklärt. Jetzt liegt die schriftliche Begründung des noch nicht rechtskräftigen Urteils des VG Stuttgart vor.

Eskalierte Abschiebung in Ellwangen

Zu dem umstrittenen Polizeieinsatz hatte eine gescheiterte Abschiebung eines togolesischen Asylbewerbers geführt. Bei der Abholung des Togolesen aus der Landesaufnahmeeinrichtung hatten sich zahlreiche Schwarzafrikaner um die Streifenwagen versammelt und gegen dessen Abschiebung demonstriert. Die Polizei, die sich bedroht fühlte, entließ den Abzuschiebenden in die Menge der 50 bis 100 Demonstranten und zog sich zurück. Zwei Tage später antwortete die Polizei mit einer Großrazzia mit mehreren Hundert Polizeibeamten.

Großrazzia in Erstaufnahmeeinrichtung

Die Razzia startete um 5:19 Uhr. Dabei betraten die Beamten auch das Zimmer des Klägers, des kamerunischen Flüchtlings Alassa Mfouapon, durchsuchten dessen Zimmer und legten ihm Handschellen an. Vor Gericht verlangte der 31-jährige, der sich wegen einer Berichterstattung über ihn u.a. auch mit der Bild-Zeitung anlegte, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahmen. Das VG erklärte die Maßnahmen jetzt als unverhältnismäßigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Flüchtlings.

In ihrer Urteilsbegründung machten die Richter klar, dass die Maßnahmen zwar keinen Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung darstellten, dass sie dem aber „nahe kommen“. Dabei stellten die Richter vor allem auf den Zeitpunkt der Razzia ab: Nächtliche Durchsuchungen, also Maßnahmen vor 6 Uhr morgens, seien nur ausnahmsweise zulässig. Im entschiedenen Fall hätten sie ohne Weiteres auch erst nach 6 Uhr durchgeführt werden können, so das VG.

Nächtliche Durchsuchungen nur in Ausnahmefällen

Demgegenüber billigten die Richter die Durchführung der Abschiebung des Kameruners nach Italien, die wenige Wochen später ebenfalls zur Nachtzeit erfolgt war und die ebenfalls in dem Rechtsstreit behandelt wurde: Die Vorgaben der italienischen Behörden zu Flugankünften bei sog. Dublin-Überstellungen rechtfertigten die Vollstreckung auch zur Nachtzeit (Az. 1 K 9602/18).

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag