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BVerwG: In Ausnahmefällen auch ohne amtliche Ausweispapiere

Wer sich einbürgern lassen will, dessen Identität muss geklärt sein. Umstritten war bisher, ob dies auch ohne amtliche Dokumente möglich ist. In einem aktuellen Fall um die Einbürgerung einer tibetischen Nonne stellte das BVerwG jetzt klar: In Ausnahmefällen geht es auch ohne Ausweispapiere.

Wer sich einbürgern lassen will, dessen Identität und Staatsangehörigkeit müssen geklärt sein. Dies ist ausdrücklich im Staatsangehörigkeitsgesetz festgelegt. Die Verwaltungsgerichte in den verschiedenen Bundesländern urteilten hier oft streng und verlangen die Vorlage eines gültigen Ausweispapiers. So auch das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart, das in einem aktuellen Fall einer tibetischen Nonne die Einbürgerung versagt hatte, weil diese keine amtlichen Dokumente vorlegen kann. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) stellte nun allerdings klar: In Ausnahmefällen ist die Klärung der Identität im Einbürgerungsrecht auch ohne amtliche Ausweispapiere möglich.

Tibetische Nonne ohne Papiere

Die Frau in dem aktuellen Fall ist nach eigenen Angaben eine chinesische Staatsangehörige tibetischer Volkszugehörigkeit, die als Kleinkind in einem tibetischen Nonnenkloster Aufnahme fand und dort ordiniert wurde. Sie kenne weder ihren Geburtsnamen, noch wisse sie, wer ihre Eltern sind. Ein staatliches Identitätsdokument habe sie nie besessen, wie sie sagt. Ob sie in China offiziell registriert ist, wisse sie ebenfalls nicht.

Für die Einbürgerungsbehörde und ebenso für das VG war der Fall klar: Ohne Identitätsklärung keine Einbürgerung. Bereits in einem früheren Urteil hatte das VG entschieden, dass in Fällen, in denen die Identität des Einbürgerungsbewerbers nicht geklärt werden kann, dies zu Lasten des Bewerbers geht. Eine Bescheinigung des Klosters, eine Geburtsbestätigung des Büros des Repräsentanten Seiner Heiligkeit des Dalai Lama sowie eine Bestätigung des Vereins der Tibeter in Deutschland e.V. ließ das VG nicht gelten.

Neues Stufenmodell

Dies war dem BVerwG zu einseitig. Es fordert einen Ausgleich der verschiedenen Belange und führte zu diesem Zweck ein „Stufenmodell“ ein.

Angesichts der „gewichtigen Sicherheitsbelange“, denen das Erfordernis der Identitätsklärung dient, müssten Bewerber alles Zumutbare tun, um ihre Identität zu klären. Andererseits, so das Gericht, muss die Klärung auch objektiv möglich sein.

Wie das Gericht in seiner Pressemitteilung darlegt, gibt es verschiedene Stufen, in denen je nach der objektiv bestehenden Beweisnot die Nachweismittel erweitert werden. Dabei müssen die Nachweise „ein in sich schlüssiges und glaubhaftes Vorbringen des Einbürgerungsbewerbers zu seiner Person und dem Unvermögen zur Beibringung aussagekräftigerer Dokumente stützen“.

VG Stuttgart muss seine Rechtsprechung ändern

Kann ein Pass nicht vorgelegt werden, sind demnach unter Umständen andere geeignete amtliche Urkunden zuzulassen. Fehlen auch solche Dokumente, kann hierfür auch auf andere aussagekräftige Beweismittel zurückgegriffen werden. Und in besonderen Ausnahmefällen, auf einer letzten Stufe, können danach sogar die Angaben des Einbürgerungsbewerbers allein ausreichend sein. Das VG Stuttgart muss den Fall um die tibetische Nonne jetzt erneut mit Hilfe des Stufenmodells entscheiden (Az. 1 C 36.19).

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag