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Versammlungen in Zeiten der Pandemie – BVerfG gibt Behörden Rückenwind

Ende August hatten Corona-Gegner ein Protestcamp in Berlin durchführen wollen, was das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Eilbeschluss ablehnte. In dem Beschluss gibt das Gericht Hinweise dazu, wann Versammlungen derzeit als zulässig anzusehen sind (Az. 1 BvQ 94/20).

Diese werden in nächster Zeit möglicherweise auch Versammlungsbehörden in Baden-Württemberg nutzen können. Die „Querdenker“-Bewegung will künftig verstärkt im Land aktiv werden. Geplant sind etwa Aktionen zum Tag der Deutschen Einheit.

BVerfG bestätigt Gefahrenprognose der Behörde

In dem Eilverfahren um das Verbot eines Protestcamps in Berlin hatte das BVerfG den Eilantrag der Corona-Leugnern als unzulässig abgelehnt, gleichzeitig aber auch in der Sache Stellung genommen und die Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde bestätigt. In Pandemiezeiten müssen Veranstalter danach vor allem taugliche Hygienekonzepte vorlegen (können).

Im entschiedenen Fall geht es um eine geplante Dauermahnwache der Corona-Gegner, die sie unter dem Motto „Berlin invites Europe – Fest für Freiheit und Frieden – Camp“ angemeldet hatte. Stattfinden sollte sie auf der Straße des 17. Juni mit mehr als 60 Lkw-Bühnen als Debattenräume. Die Anmeldung der Corona-Gegner akzeptierte die Versammlungsbehörde allerdings nicht und löste das Camp auf.

Bereits das OVG Berlin hatte die Einschätzung der Behörde bestätigt, dass bei Durchführung des Camps eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu befürchten sei, vor allem, weil die Teilnehmer die angesichts der Pandemie gebotenen Mindestabstände nicht einhalten würden.

Das BVerfG bestätigte jetzt, dass Eingriffe in die Versammlungsfreiheit zum Schutz des Grundrechts Dritter auf Leben und körperliche Unversehrtheit gerechtfertigt werden können. Dies ist an sich auch unbestritten. Versammlungsverbote dürfen allerdings nur verhängt werden, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Das BVerfG listete mögliche Auflagen auf, wie die Verpflichtung zur Einhaltung von Mindestabständen, die Beschränkungen der Teilnehmerzahl oder die Pflicht zum Masken-Tragen, eine Anordnung, die „nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts jedenfalls zu einer Verlangsamung des Infektionsgeschehens beitragen kann“, so das BVerfG. In Betracht zu ziehen sind außerdem - aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vorzugswürdige - Alternativstandorte.

Querdenker-Bewegung will in Baden-Württemberg demonstrieren

Letztlich kam es darauf aber nicht an. Das BVerfG stellte in seiner Abwägung vielmehr darauf ab, dass die „Querdenker“ kein taugliches Hygienekonzept vorweisen konnten. Eine Durchführung des Camps unter Bedingungen zu gewährleisten, „die ein hinreichendes Maß an Schutz vor möglichen Infektionsgefahren sicherstellten“, sei „nur mit einem geeigneten Hygienekonzept“ möglich, so das BVerfG. Ein solches habe der Antragsteller nicht vorgelegt.

Jetzt stehen Demonstrationen der Querdenker-Bewegung in Baden-Württemberg an. Der Gründer der Bewegung, der Stuttgarter Michael Ballweg hatte Anfang September angekündigt, die Aktivitäten in die „Heimat“ nach Baden-Württemberg zu verlegen.

Geplant war ursprünglich eine Demonstration in Konstanz zum Tag der Deutschen Einheit. Außerdem gibt es Pläne für eine Menschenkette rund um den Bodensee.

Derzeit ist noch unklar, ob diese Pläne aufgehen. In Konstanz sind nach Angaben der Stadt derzeit 24 Demonstrationen für den 3. und 4. Oktober geplant, darunter auch solche, die sich gegen die Querdenker-Bewegung wenden. Von pandemiebedingten Verboten ging die Stadt am Mittwoch nicht aus. Für den Ernstfall gibt der aktuelle BVerfG-Beschluss, der der staatlichen Schutzpflicht gegenüber Leben und Gesundheit anderer Menschen hohes Gewicht beimisst, den Behörden allerdings Rückenwind.

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag