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Nachbarwiderspruch gegen Baugenehmigung - Bei fehlender Bekanntgabe gilt Jahresfrist

Mannheim. Nachbarn, die sich gegen eine Baugenehmigung für Vorhaben auf dem angrenzenden Grundstück zur Wehr setzen wollen, müssen die gesetzliche Widerspruchsfrist beachten. Sie läuft allerdings nur, wenn die Baugenehmigung dem Nachbarn amtlich bekanntgegeben wurde. Wie eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg verdeutlicht, gilt letzteres aber nicht, wenn der Nachbar „sichere Kenntnis“ von der Baugenehmigung erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

Im Normalfall, wenn die Baugenehmigung dem Nachbarn amtlich bekanntgegeben wurde, beträgt die Widerspruchsfrist vier Wochen. Unterbleibt die Bekanntgabe der Baugenehmigung, läuft keine Frist, so dass der Nachbar theoretisch auch noch nach Jahren Rechtsmittel einlegen kann.

Wie jetzt der VGH bestätigte, gilt dies nicht, wenn der Nachbar von der erteilten Baugenehmigung „auf andere Weise zuverlässig Kenntnis erlangt hat“ bzw. wenn sich ihm das Vorliegen der Baugenehmigung „aufdrängen muss“. Dann muss er sich „nach Treu und Glauben“ so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung amtlich bekanntgegeben worden. Für den Nachbarn gilt dann eine Frist von einem Jahr ab Kenntniserlangung.

Im entschiedenen Fall geht es um die Baugenehmigung für vier Dachgauben, von denen der Nachbar auch „Kenntnis hätte haben müssen“, wie das Gericht im Verfahren mit Hilfe von Lichtbildern feststellte. Allerdings berief sich der Nachbar darauf, dass zunächst keine vollständigen Planvorlagen vorgelegen hätten.

Widerspruch legte der Nachbar erst ein, nachdem sich das Regierungspräsidium wegen (zutreffender) Bedenken wegen der Nichteinhaltung von Abstandsflächen eingeschaltet hatte und ein von einem Vermessungsingenieur neu gefertigter Abstandsflächenplan vorlag. Über zuverlässige Information über das Vorhaben hätte er erst ab diesem Zeitpunkt verfügt, so der Nachbar. Inzwischen waren zwei Jahre seit Erteilung der Baugenehmigung vergangen.

Wie jetzt der VGH entschied, ist es aber irrelevant, ob die Bauvorlagen zunächst nicht vollständig waren. Relevant ist die Frage nach der Vollständigkeit von Bauvorlagen beim Einwendungsausschluss im Rahmen der Nachbarbeteiligung; hier sieht die Landesbauordnung hohe Hürden vor. Die Zumutbarkeit der Widerspruchseinlegung folge aber anderen Regeln, so der VGH. Hier kommt es alleine darauf an, ob sich dem Nachbarn das Vorliegen der Baugenehmigung (als solcher) hätte aufdrängen müssen. In diesem Fall gilt für Nachbarn ohne Wenn und Aber die Jahresfrist (Az. 8 S 2204/19).

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag