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VGH zur Pflicht von Gemeinden, bei unfreiwilliger Obdachlosigkeit einzuschreiten

Befindet sich ein Obdachloser im Zuständigkeitsbereich einer Ortspolizeibehörde und begehrt dort Unterkunft, darf die Behörde sich nicht einfach für unzuständig erklären. Dies entschied in einem aktuellen Beschluss der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg und bestätigte damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart, das in einem Eilverfahren eine Gemeinde zur Unterbringung eines Obdachlosen zunächst bis Ende des Jahres verpflichtet hatte.

Im dem entschiedenen Fall hatte ein Mann bei der Ortspolizeibehörde um Unterkunft gebeten, sich aber geweigert, eine Erklärung, "dem Alkohol künftig abstinent zu bleiben", zu unterschreiben. Bei dem Mann handelt es sich um einen langjährig suchterkrankten Obdachlosen, der sich in einer Drogentherapie befindet.

Künftig kein Alkohol mehr

Wie der VGH jetzt dazu feststellte, war dies unrechtmäßig. Nach Aktenlage handle es sich um einen Mann ohne Krankheitseinsicht, der aus medizinischer Sicht gar nicht in der Lage sei, eine entsprechende Erklärung abzugeben.

Die Richter stellten klar, dass sich die Obdachlosigkeit immer nach objektiven Kriterien bemisst. Worauf die Obdachlosigkeit zurückzuführen ist und ob den Betroffenen ein Verschulden an seiner Obdachlosigkeit trifft, darauf kommt es nach der Rechtsprechung nicht an.

Notunterkunft in der Landeshauptstadt

Wie der VGH weiter klarmachte, konnte sich die Gemeinde in dem Fall auch nicht dadurch ihrer Aufgabe entledigen, dass sie auf die Unterbringung des Obdachlosen in einer Notunterkunft in der Landeshauptstadt Stuttgart verwies. Dorthin hatte sich der Mann gewandt und schließlich seinen Eilrechtsantrag bei Gericht gestellt.

Die Gemeinde, so jetzt der VGH, behalte in einem solchen Fall ihre örtliche Zuständigkeit. Auf einen Umzug in einen anderen Ort könne und dürfe die Gemeinde Obdachlose nicht verweisen. Eine Verwaltungspraxis dergestalt, Obdachlose in nahe gelegene Großstädte oder sonstige Gemeinden zu schicken und sich auf dieser Weise gefahrenabwehrrechtlicher Probleme zu entledigen, sei grundsätzlich rechtswidrig, so die Richter. Anderes gilt danach nur, wenn dies auf einem einvernehmlichen Vorgehen der zuständigen mit der Nachbargemeinde beruht.

Grundrecht der Freizügigkeit

Dass es damit Obdachlose selbst in der Hand haben, zu bestimmen, wo sie obdachlosenrechtlich unterzubringen sind, dies ist laut Beschluss – bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs – hinzunehmen. Gewährleistet wird dieser Schutz den Obdachlosen, wie die Richter klar machten, durch das im Grundgesetz verbürgte Grundrecht auf Freizügigkeit (Az. 1 S 1698/19).

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag