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VG Sigmaringen: 200 Meter hohe Windräder am Schloss Lichtenstein – Kein Verstoß gegen Denkmalschutz

Sigmaringen. Das Schloss Lichtenstein, bekannt als „Märchenschloss“ und als Wahrzeichen der Schwäbischen Alb, ist ein beliebtes Ausflugsziel. Anlässlich eines aktuellen Rechtsstreits wurde es Anfang des Jahres auch Zielort einer Dienstreise von Verwaltungsrichtern. In einem Rechtsstreit um die Errichtung von fünf Windrädern nahe beim Schloss nahmen die Richter des Verwaltungsgerichts (VG) Sigmaringen das Schloss gerichtlich in Augenschein – mit einem für das Landratsamt überraschenden Ergebnis: Der Denkmalschutz ist kein Hinderungsgrund für eine Genehmigung der Windräder, so das Urteil des VG, dessen Begründung jetzt vorliegt (Az. 9 K 4136/17).

Geht es nach dem Willen des Windenergie-Entwicklers, sollen die 200 Meter hohen Windräder hinter dem Schloss in ca. 3 Kilometer Entfernung aufgebaut werden, was Proteste vieler Bürger und vor allem des Denkmalschutzes hervorrief.

Windräder verschandeln das romantische Erscheinungsbild

Sowohl das Landratsamt als auch das Regierungspräsidium lehnten den Genehmigungsantrag der Firma dann auch aus Gründen des Denkmalschutzes ab. Die Windräder stünden in deutlichem Gegensatz zu dem romantischen Erscheinungsbild des Schlosses. Auch das Landesamt für Denkmalschutz hatte in seiner Stellungnahme die „imposanten Lage auf einem Sporn über dem Echaztal am Rand der Schwäbischen Alb“ betont. Wie sich auch die Richter vor Ort überzeugen konnten, liegt das Schloss in spektakulärer Lage auf einem Felsen am Albtrauf. Ohne diese Lage, so die Behörde, seien die damaligen romantischen Architekturvorstellungen überhaupt nicht realisierbar gewesen.

Anderer Meinung war die Windenergie-Firma, der das Argument der Behörden, es komme auf die – historisch belegten – Sichtachsen- und -beziehungen an, nicht überzeugte.

Die VG-Richter hatten deshalb die Blickbeziehungen auf das Schloss von verschiedenen Standorten aus selbst nachvollzogen. Ergebnis: Soweit sie den aufgesuchten Standorten überhaupt denkmalrechtliche Relevanz zubilligten, etwa dem Aussichtsfels Locherstein mit direktem Blick auf das gegenüberliegende Schloss, kamen die Richter anders als die Behörden zum Ergebnis, das „keine erhebliche Beeinträchtigung“ vorliegt.

Würden die fünf Windräder unmittelbar hinter dem Schloss in Erscheinung treten, „dieses hoch überragen und damit übertönen, ja quasi erdrücken“, so die Richter, könnten sie zweifellos als belastend empfunden werden. Das sei aber etwa beim Blick vom Locherstein keineswegs der Fall. Der Schutz des Schlosses „als erstaunliches Zeugnis für die Wirkung viel gelesener literarischer Werke aus dem 19. Jahrhundert“ bleibe nach wie vor erfahrbar, auch mit den Windrädern.

Veränderter Blick des „Durchschnittsbetrachters“ auf Windräder

Dabei verwiesen die Richter auch auf die gewandelte Einstellung eines heutigen „Durchschnittsbetrachters“ – mit einer tendenziell positiven Grundeinstellung zur Nutzung regenerativer Energien. Windräder würden heutzutage nicht mehr von vornherein als exotische Fremdkörper wahrgenommen.

Abschließend entschieden ist der Fall damit aber nicht. Das Landratsamt muss jetzt andere Teilaspekte wie den Naturschutz prüfen. Dabei wird es u.a. um ca. zehn Rotmilanpaare gehen, die dort brüten.

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag