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BAG fragt EuGH: Sind Kopftuchverbote in Privatunternehmen wirksam?

Erfurt. Der Streit um das Tragen von Kopftüchern bei der Arbeit geht weiter. In einem aktuellen Beschluss legte das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem EuGH die Frage vor, ob ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gedeckt ist und inwieweit die Gerichte Religionsfreiheit der Arbeitnehmer zu berücksichtigen haben.

Zu dieser gesellschaftspolitisch brisanten Frage äußerten sich in der Vergangenheit bereits zahlreiche Gerichte, neben dem BAG selbst auch das BVerfG sowie der EuGH. Den aktuellen Fall nahm das BAG zum Anlass, eine weitere Klärung beim EuGH herbeizuführen.

Erneute Klärung beim EuGH

In dem Fall geht es um eine Kassiererin, die ihrem muslimischen Glauben folgt. Nach Rückkehr aus der Elternzeit trug sie ein Kopftuch, was ihr die Filialleiterin untersagte. Weil sie das islamische Bedeckungsgebot als zwingend empfindet, wehrt sich die Frau gegen das Kopftuchverbot ihrer Arbeitgeberin, der Drogeriemarktkette Müller, vor Gericht.

Im Jahr 2017 hatte der EuGH in zwei Fällen entschieden, dass Kopftuchverbote eine mittelbare Diskriminierung darstellen, dass diese aber gerechtfertigt sein können, wenn der Arbeitgeber nach außen hin Neutralität signalisieren will. Damit zeigte sich der EuGH unternehmerfreundlicher als die Rechtsprechung in Deutschland.

So hatte das BAG bereits mehrfach entschieden, dass nur bei Vorliegen sachlicher Gründe Verbote wirksam sind

Auch das BVerfG äußerte sich mehrmals. In einem Urteil aus dem Jahr 2003 entschied es, dass in Baden-Württemberg ein Kopftuchverbot eingeführt werden darf, allerdings nur mittels einer gesetzlichen Regelung. In einem Urteil aus dem Jahr 2015 rückte das BVerfG dieses Urteil zurecht und urteilte, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen mit der Verfassung nicht vereinbar ist.

An der bisherigen deutschen Rechtsprechung orientiert und anders als der EuGH nahm im aktuellen Fall die Vorinstanz, das LAG Nürnberg, eine Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen vor und räumte zu Gunsten der Arbeitnehmerin der Religionsfreiheit den Vorrang ein.

Um zu klären, ob dies mit der Charta der Grundrechte vereinbar ist und inwieweit die Europäische Menschenrechtskonvention sowie das Grundgesetz zu berücksichtigen sind – beide halten die Religionsfreiheit hoch – entschied sich das BAG jetzt, den Weg des sog. Vorlageverfahrens zu gehen (Az. 10 AZR 299/18).

Johannes Buschbeck, Richard Boorberg Verlag